Megacity Hongkong – Ein Reisebericht / Tag 1

TAG 1 / HONGKONG
Sonntag 01.05.

Erst Pünktlichkeit, dann Verwirrung

Die Nacht war sehr kurz. Um 4.45 Uhr klingelt der Wecker in Osaka/Japan. Draußen wird’s schon hell! Weiter geht’s, ab in ein neues Land. Gestern Abend habe ich bereits ein kleines Frühstück im Supermarkt am Hotel besorgt. Schnell pfeifen wir uns einen Donut und ein Onigiri mit kaltem Kaffee aus der Dose ein, als draußen auch schon das Taxi hupt. So vernehmlich, dass wir es im 7. Stock bei geschlossenem Fenster hören können! Für 5.15 Uhr war’s bestellt, um 5.07 Uhr begann das Hupen. Und in dieser zeitlichen Taktung geht es weiter. Um 5.23 Uhr stehen wir am Pcap, dem Airportbus-Terminal an der Namba Station. Um 5.25 Uhr halten wir dort unser Ticket in der Hand und sollen eine Schlange bilden. Beziehungsweise starten, denn es ist noch gar keine vorhanden.

Alle anderen Fahrgäste schlafen noch quer über die Wartebänke verstreut, warten offensichtlich schon die ganze Nacht. Als der Bus um 5.30 Uhr vorfährt, wachen alle wie von Geisterhand gleichzeitig auf und stellen sich hinter uns. Ein Servicemensch nimmt uns die Koffer aus der Hand und lädt sie in den Bauch des Busses, wir setzen uns gleich hinter den Fahrer. Um 5.40 Uhr ist laut Fahrplan Abfahrt. Ich beobachte die Uhr im Bus. Der Fahrer beobachtet die Uhr im Bus. Der Koffereinlader draußen beobachtet die Uhr im Terminal. Klick! Die Uhr im Bus springt auf beiden Zeiteisen gleichzeitig auf 5.40 Uhr. Jetzt blicken sich Fahrer und Fahrer an. „Okay?“ Eine zackige Verbeugung. „Hai!“ Zisch! Die Tür schließt, los geht’s. Wäre jemand um 5.40 Uhr und fünf Sekunden da gewesen – er hätte den Bus verpasst.

Beinfreiheit in der japanischen Billigflug-Airline Peach

Es geht eine gute halbe Stunde über ellenlange Hoch-Autobahnen. Vor allem der Blick von oben auf auf den Frachthafen im Licht der aufgehenden Sonne ist schön. Wir werden an der Endstation, dem Terminal 2 vom Osaka Airport, ausgespuckt. Von hier fliegt nur die Billig-Airline Peach ab. Der Check-In-Automat möchte unseren Reisepass nicht schlucken. Somit können wir nicht einchecken und Check-In-Schalter gibt’s einfach nicht, weil eben Billig-Airline. Wir stellen uns an irgendeine Schlange an und merken nach 15 Minuten, dass wir am Infoschalter eines Reiseveranstalters warten. Der wird kaum helfen können. Also stellen wir uns schon mal am Baggage-Drop-off nach Hong Kong an, auch ohne eingecheckt zu sein.

Nach langem Warten wird uns geholfen und sogar für uns eingecheckt. Ausnahmsweise. Dafür macht mein Koffer Probleme beim abgeben, es piepst. Ich muss ihn öffnen. Ein Kamera-Akku ist der Bösewicht, der muss aber ins Handgepäck. Jetzt muss nur noch die Security gemeistert werden. Ein Schalter ist für zwei Flüge offen, auch das dauert also wieder lange. Endlich auf der Luft-Seite, können wir das verbliebene Kleingeld in Proviant und Hello-Kitty-Zeugs umsetzen und schon ist Boarding angesagt. Um 8.50 Uhr soll der Flieger abheben. Um 8.51 Uhr ist er in der Luft. Kurz vorher sieht man aus dem Fenster Bodenpersonal auf dem Vorfeld, dass sich vor unserer anrollenden Maschine verneigt und winkt.

Und wieder heißt es Saionara, Du professionelles, pünktliches, freundliches, total beklopptes und liebenswerte Land. Wir werden sicher auch noch ein drittes Mal vorbei kommen!
(Hier die Reise durch Japan nachlesen, dem sich unser Aufenthalt in Hong Kong anschloss.)


Mit der Sardinenbüchse ins Dschungel-Klima

Der Sitzabstand bei Peach ist sehr grenzwertig für jemanden mit 1.85 Metern. Für die vier Stunden ging es, aber schön war’s nicht. Mehr als fünf Minuten Dösen am Stück ist nicht zu machen, weil statt dem Kopf irgendein anderes Körperteil einschläft. Bewundernd beobachte ich Japaner, die schon vor dem Start einfach den Kopf nach vorne fallen ließen und seitdem selig schlummern. Rebekkas Sitznachbarin etwa: Ihr Kopf baumelt bei den häufigen Turbulenzen immer heftig vor ihrer Brust zu allen Seiten, aber sie wacht einfach nicht auf!

In Hong Kong angekommen drehen wir die Uhr eine Stunde zurück und geben uns dem üblichen Dreikampf nach einer Landung auf einem fremden Flughafen hin. Immigration, Gepäckband, Zoll. Das ganze durch endlose, riesige Gänge bei denen man sich immer fragt, für wie viele Menschen ein Architekt die wohl mal ausgelegt hat. Dann suchen wir noch einen Automaten für eine Ladung Hong Kong Dollar und stillen unseren Hunger bei McDonald’s in der Abflughalle. Hmn, die Leute sind hier alle so laut und ruppig?

Die MTR bringt uns in die Stadt. Wieder elend lange Gänge, das ist fast schlimmer als in Osaka hier. Und immer hübsch mit dem ganzen Gepäck im Schlepptau. Da! Das muss unser Ausgang sein. Nach zig Rolltreppen trifft uns, zum ersten Mal seit Osaka wieder richtig unter freiem Himmel, der Dampfhammer. 29 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die Wolken liegen so tief über der Stadt, das einige der Wolkenkratzer nicht mehr nur dran kratzen, sondern darin verschwinden. Zehn Minuten brauchen wir nun noch zu Fuß zu unserem Hotel auf Hong Kong Island. Die Straßen sind klein und schmutzig, es riecht. Die Leute lächeln nicht, sie hetzen. Das Hotel empfängt uns mit einer um locker 15 Grad herunter gekühlten Lobby, das „Willkommen“ am Empfang ist ebenso temperiert. Ja, man merkt jetzt schon einen riesigen Unterschied zu Japan, aber es ist ja nun mal auch ein ganz anderes Land hier. Unser Zimmer liegt im 31. Stock und ist vier mal so groß wie die Mini-Kajüte in Osaka. Die Aussicht geht auf endlose Wohn-Spargel in Richtung des Peaks.

Jordan Road in Kowloon

Wir sind jetzt schon fertig mit der Welt, geben uns aber trotzdem fix eine Dusche, um noch ein wenig von der Stadt zu sehen. Um 16 Uhr ziehen wir los: 12 Stunden nach dem Aufstehen! „Mal eben von Osaka nach Hong Kong“, hab ich mir bei der Planung so gedacht. „Sind ja nur vier Stunden Flug.“ Das ganze Drumherum vergisst man in der Planungsbegeisterung schnell, aber Reisen ist halt so. Trotzdem gibt es so Momente in denen man sich fragt, warum man sich das antut, statt etwa jetzt etwa faul irgendwo am Strand in Okinawa zu liegen. Das hier ist so ein Moment. Aber der geht schon auf der Straße wieder vorbei. Hey – das ist Hong Kong! Rein ins Gewimmel!

Nur – das Gewimmel um unser Hotel herum wirkt ein bisschen schäbig. Meinen wir zumindest zu diesem Zeitpunkt noch. Nach zwanzig Minuten Spaziergang erreichen wir das Star Line Ferry-Terminal und setzen mit der bekannten Fähre für ein paar Cent nach Kowloon über. Jetzt erst sehen wir „unsere“ Seite der Stadt in ihrer vollen Pracht und Ausdehnung. Eine unglaubliche Skyline. Leider versteckt sie sich teilweise hinter all den tiefen Wolken. Mit der Bahn fahren wir tiefer nach Kowloon hinein, wollen über den Night Market schlendern. Als wir aus dem U-Bahn-Tunnel herauskommen ist es schon dunkel.

Jetzt merken wir – die Gegend um unser Hotel ist nicht wirklich schlimm. Hier ist es schäbig, dreckig und stinkt teilweise übelst. Ich glaube wir haben, Japan noch im Kopf, tatsächlich einen kleinen Kulturschock! Dazu kommen bei mir hämmernden Kopfschmerzen. Und Hunger! Tripadvisor schlägt uns zum Abendessen eines der besten Dim Sum Restaurants der ganzen Stadt vor, direkt in der Nähe. Es präsentiert sich als eiskalt heruntergekühlte, knallweiß beleuchtete Bude mit ungemütlichen Plastiktischen. Die Bedienung ist schroff, die so vielgepriesenen Dim Sum schmecken mir bis auf eine Ausnahme alle überhaupt nicht und die Stimmung wird nicht besser. Enttäuscht machen wir uns völlig platt auf den Weg zurück ins Hotel. Immerhin wirkt die Kopfschmerztablette. In Hong Kong Island angekommen, setzen wir uns bei immer noch 29 Grad mit ein paar eiskalten Bierchen aus dem nächstbesten 7-Eleven auf eine Treppe in Hotelnähe, beobachten die auf der Straße spielenden Kakerlaken und lassen den Tag Revue passieren.

Na klar, das war wenig Schlaf heute. Dann der Reisestreß, die Klimaumstellung, dazu die ganze Latscherei durch Flughäfen, U-Bahnen und durch die Stadt – der Schrittzähler zeigt für heute stolze 22 Kilometer! Dabei haben wir den ganzen Tag bis auf einen Burger am Flughafen fast nichts gegessen und – schlimmer noch – getrunken! Dazu das total bedeckte Wetter und die Schwitzerei – irgendwie kein Wunder, dass dieser Tag nicht so von Erfolg gekrönt war. Wir fangen morgen einfach neu an. Wir werden schon noch Freunde, Hong Kong!

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