Tokio & Kyoto: Reisebericht Japan 2014 / Tag 4

TAG 4 / TOKYO
Dienstag, 13.05. / 24°C / erst bedeckt, dann sonnig

Um 08.30 klingelt der Wecker – ich haue auf den „Snooze“-Button meines Handys, um noch 5 Minuten … Doch kurz bevor das Teil erneut losplärren kann, klingelt ein Erdbeben. Das Hotelzimmer wackelt etwa acht Sekunden hin- und her und bevor wir mehr sagen können als „Huch, ein Erdbeben!“ Ist es auch schon wieder vorbei. Immerhin: Wir waren wach! Wir wir später erfahren, hatte es eine Stärke von 4.9 und der Tokyoter an sich schenkt einem solch kleinen Rumms wohl nur ein müdes Schulterzucken. Erst vor gut einer Woche war hier ein starkes Beben, das stärkste seit Fukushima. Aber auch das (es hatte 6.1) brachte keine großen Schäden mit sich. Nun ja, derart unsanft geweckt sitzen wir schnell beim Frühstück und sind danach auch fix auf der Straße.

Erste Station heute: Akihabara. Das „Nerd- und Elektronik-Viertel“ stelle ich mir als eine Mischung aus riesigem Media-Markt, Spielhöllen und Manga-Läden vor. In „echt“ sieht es fast ein wenig aus wie das Vergnügungsviertel von Shinjuku, nur ein wenig abgeschremmelter. Die vielen, vielen Poster und Werbeschilder an den Fassaden der Hochhäuser sind nicht ganz so bunt, dafür noch enger beschrieben. Manga-Laden reiht sich an Manga-Laden reiht sich an Spielothek und so weiter. Wirklich fette Elektronikläden wie etwa mehrere „Big Camera“-Filialen oder ähnliches mit Hammerangeboten haben wir nicht gesehen. Vielleicht lag es auch an mir blinder Nuss. Dafür liefen einige Maids über die Straße, um für ihre Cafés zu werben. Klar, ein Maid-Café wollen wir natürlich heute auch noch mitnehmen. Fotografieren lassen sich die Mädels auf der Straße übrigens nicht gerne. Sobald sie ein Objektiv blitzen sehen, verschwinden sie schnell hinter Stromkästen oder Straßenlampen. Eine hab ich trotzdem erwischt 😉
Was ein Maid-Café ist? Das würde zu weit führen, bitte selbst nachgoogeln. Nur kurz: Viele junge, hübsche Mädels in knappen Dienstmädchen-Uniformen bedienen dort. Alles ist pink und putzig, es werden kleine Shows veranstaltet, man kann Gesellschaftsspiele mit ihnen spielen, sich fotografieren lassen und mehr. Der Gast wird als „Master“ angesprochen, oft wird auf Knien bedient.

Akihabara, Spielhölle Nr. 1374

Wir wählen mit dem „@home“ Café laut Reiseführer die „Familien-Variante“, bei der auch gerne Damen als Gast gesehen sind. In „echten“ Maid Cafes nur für Herren geht es durchaus etwas devoter zu, wobei – anfassen ist immer verboten. Übrigens anfassen: In Akihabara werben riesige, haushohe Spots für Kuschelstunden. Kein Sex. Die Dame bleibt vollkommen angezogen, sogar oft mehr als normal (Bärchenkostüm und ähnliches). Dafür darf man verschiedene Dienstleistungen wie kuscheln, Ohr kraulen, Massieren oder in die Augen gucken buchen. Strange. Zurück zum „@home“-Café. „Unsere“ Maid heißt Melu, wir bestellen eine Limo und einen Café. Ich ordere natürlich gleich ein Foto, als sie uns die Getränke bringt und mir eine Hello Kitty mit Sirup auf den Milchschaum malt. Wir sitzen direkt vor der Mini-Bühne in einem recht kleinen Raum. Das Café hat Räume auf mehreren Etagen. Immer mal wieder werden Gäste (meist Jungs) auf die Bühne gebeten, um ihr bestelltes Foto zu machen. Dazu sucht man sich aus einer Klamottenkiste ein paar lustige Accessoires aus, stellt sich mit seiner Maid in Pose (sogar die kann man sich aussuchen), während eine andere ein Polaroid-Foto davon macht. Ansonsten passiert nicht wirklich viel, scheint keine Gesangs- oder Tanzeinlage geplant zu sein momentan.
Wenig später kommt Melu mit einer Tafel aller Maids vorbei, auf der ich mir meine für das Foto aussuchen soll. Ich wähle sie selbst und sie gibt sich hocherfreut. Hinter uns sitzt ein pickliger Teen ganz alleine, der kurz vorher ein Pinocchio-Geburtstagseis mit Ständchen von den Mädels überreicht bekommen hat. Er ist auf dem Tisch eingeschlafen. Neben uns feiern etwa acht Jungs um die 18 bei Blubberlutsch und Kuchen. Dann darf ich auf die Bühne. Häschenohren auf, dummes Gesicht gemacht, das Foto ist im Kasten. Melu malt noch etwas darauf, steckt es in einen Papprahmen und überreicht es mir. Bald darauf gehen wir. Been there, done that.
Im ersten Stock des Gebäudes gucken wir noch in den Shop des Cafés rein. Hier kann man unter anderem ganze Fotoserien seiner Lieblingsmaid erstehen. Was? Ja, natürlich – alle bekleidet. Fotografieren im Café war übrigens verboten, ist klar.

Nachdem wir die Stätte des pinkbunten verlassen haben, verlassen wir auch bald die Straßen von Akihabara. Aber natürlich muss ich vorher noch in einer Spielothek ein Hello Kitty-Stoffpüppchen aus einem Angelautomaten angeln und mir die Porno-Abteilung eines Mangashops ansehen (in der man in „Lebensgröße“ „Nachbildungen“ der Geschlechtsteile von Manga-Girls kaufen kann). Puh, jetzt reicht’s aber. Gegen den Bling-Bling Overkill gibt es nun ein Kontrastprogramm. Wir nehmen die Bahn Richtung East Garden des Kaiserpalasts. Es handelt sich um den öffentlichen Teil des Parks. Der Palast selbst und der restliche Park sind ansonsten nur ganz selten für die Öffentlichkeit zu sehen. Aber selbst dieser Teil der Anlage ist riesig. Wir sehen alte Samurai-Häuser, gepflegteste Hecken und Wiesen, einen tollen Teich mit Wasserfall und mega-große Kois. Um 17 Uhr wird bereits zugesperrt. Ältere Herren fahren auf Fahrrädern herum und tippen auf ihr Handgelenk. Wegen der kostenlosen Plastiktickets die man am Eingang bekommen hat, kann niemand unbemerkt drin bleiben. Auch die Polizei patroulliert jetzt. Mir fällt auf, dass sogar jeder Gullydeckel versiegelt ist. Bei dem enormen Verbrauch an sinnlosen Arbeitskräften hier (ich sag nur: Baustellen-Wächter – siehe Tag 1) gibt es sicher auch noch jemanden, der jeden Abend die Gullys abläuft.

Während wir im Garten waren, kam passenderweise die Sonne zum Vorschein. Gut so, denn wir wollen jetzt nach Roppongi Hills. Um 18.30 Uhr geht die Sonne bereits unter, deswegen ist Beeilung angesagt. Unser Ziel ist der Mori-Tower, der einen tollen Rundumblick über die Skyline der Stadt bieten soll. Den würden wir gerne im Dämmerlicht genießen, wenn die Lichter langsam angehen. Aber wir haben noch keine Ahnung, wo der ist und wie wir dahin kommen.
Zum Glück ist dieser fette, 238 Meter hohe Wolkenkratzer aber ganz einfach zu finden, befindet sich direkt am Bahnhof Roppongi. Die Plaza davor (mit einer riesigen Spinnen-Skulptur) ist sehr nett angelegt mit Wasserspielen und Blumen. Hübsch! Aber wir wollen nun endlich nach oben. Die Tickets kosten 1500 pro Nase (etwa 10,50 Euro). Der Aufzug ist extrem schnell. Oben zahlen wir nochmal 500 Yen für das Skydeck, denn wir wollen Open-Air sein und nicht hinter Scheiben. Hier gibt es (laut langer persönlicher Internet-Recherchen) die einzige Möglichkeit, das Panorama Tokyos unter freiem Himmel zu genießen. Aber so schnell nach oben kommt man nicht – erst müssen die Sachen in Schließfächer. Alles bis auf Kamera oder Smartphone (Stative sind nicht erlaubt) muss eingeschlossen werden. Ständig sind Wachmänner dabei, die alles ganz genau beäugen. Mir kommt sogar noch jemand bis zum Aufzug auf das Skydeck hinterher gelaufen, weil ich mein Ticket in der Hand halte. Ich möge es doch bitte sicher in meiner Jeans verstauen. Ja ja, so ein Papierchen aus 238 Metern Höhe kann zu einer tödlichen Waffe werden … Wenn der wüsste, was ich während des Einschließens im Schutz meiner Windjacke alles in meine Hosentaschen gedrückt habe. Ein zweites Objektiv zum Beispiel, hehe.

Der Blick von oben ist a-tem-be-rau-bend. Leider ist es ein wenig diesig, aber die Sonne steht perfekt, strahlt die größten Wolkenkratzer mit ihrem letzten Licht direkt an und hängt nicht etwa dahinter. Schade New York, leider verloren. Blöd nur, dass ich kein Stativ hab. Da wird die Fotosession gleich zur Glückssache. Und Shit – jetzt fällt mir auf, dass ich keine Ersatzspeicherkarte aus dem Rucksack gefummelt habe, argh! Und mein Akku ist auch bald leer! Ich muss wohl noch mal runter, um mir ein „Taschentuch“ im Rucksack zu holen … Da fällt mir eine Dame mit großem „Press“-Aufkleber auf, die sich mit zwei Typen (mit Stativ und dicker Ausrüstung) unterhält. Ich stelle mich in die Nähe, warte auf eine Gesprächspause und spreche sie einfach an. Indem ich meinen Presseausweis aus der Geldbörse fummle, frage ich, ob ich nicht auch eventuell vielleicht auch ohne vorherige Akkreditierung ausnahmsweise mein Stativ … „Aber sicher, gar kein Problem!“ Sie mache gerne eine Ausnahme für mich. Sie begleitet mich nach unten zu meinen Sachen (die ich innerlich triumphierend am Wachmann vorbei trage) und wieder nach oben. Dann pappt sie mir auch so einen Presse-Aufkleber ans Revers und erklärt mir noch, dass ich jetzt während meiner Arbeit sogar über das Hubschrauberlandefeld gehen dürfe. „You’re VIP now – have fun!“. Jahaaa, den habe ich, auch ohne den Landeplatz zu betreten. Zwei Stunden lang lasse ich die SD-Karten glühen. Finde, es hat sich absolut gelohnt!

Ein bisschen abgekühlt und vom salzigen Seewind durchgeblasen, stoßen wir, wieder zurück auf Meereshöhe, gleich hinter dem Aufzug auf eine große Bar. Sehr westlich, sehr 1920-er Jahre. In Roppongi leben viele Ausländer, verrät unser Reiseführer. Hier ist man gern unter sich. Jetzt sind es zwei mehr. „Kanpai!“ – Wir stoßen mit einem schönen kalten Bier und einem Mojito an. Die Welt ist schön. Danach fallen wir gleich um die Ecke zum Abendmahl in einen Edel-McDonald’s ein, der schon fast luxuriös wirkt. Geld sparen und trotzdem satt werden (unter anderem mit Shrimps-Burger und Teriyaki-Burger). Dann trotten wir noch ein wenig durch das Ausgeh- und Rotlichtviertel von Roppongi, bevor wir die lange Fahrt ans andere Ende der Stadt in unser Hotel antreten. Was für ein geiler Tag! Und was sind wir im Eimer. Um 23 Uhr zurück im Hotel reicht es nur noch für das sichern der Fotos auf dem Laptop, bevor ich ins Bett falle.

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