Rote Steine & Casinos: Reisebericht USA (Südwest) 2015 / Tag 7

TAG 7 / GRAND CANYON VILLAGE (AZ)-PAGE (AZ)
Donnerstag, 30.04.2015 / Sonnig, 23-29°C

Guten Morgen Grand Canyon! Nach dem zurückziehen der Vorhänge in unserer Lodge begrüßt uns ein Mule Deer ein paar Meter vor unserem Fenster. Liegt einfach da und schlackert mit den Ohren. Später kommen noch ein paar seiner Freunde dazu. Das nenn ich doch mal Mitten in der Natur schlafen!
Mit dem GMC geht es zum Market Place, dort gibt es am Supermarkt ein Deli mit Frühstück. Einen Bagel und ein Croissant zu ordern stellt die Bediensteten aber vor unerwartete Herausforderungen. Sie sind unglaublich langsam und scheinen alle einer integrativen Arbeitsmaßnahme anzugehören. Was ja per se nicht schlimm ist, nur wenn Hunderte Touristen innerhalb kurzer Zeit zum Frühstück erscheinen, sollte es schon ein bisschen zackiger gehen. Aber das ist auch der einzige Minimini-Kritikpunkt, den wir an Grand Canyon Village finden können. Das die Straßen ein wenig verwirrend verlaufen, liegt garantiert an den geologischen Umständen. Wir sind einmal mehr überrascht, wie dezent und überhaupt nicht kirmesartig ein solcher reiner Touriort mitten in einem amerikanischen Nationalpark gestaltet wurde. Das ist uns gestern schon im Joshua Tree aufgefallen. Nationalpark hin oder her – man erwartet als Unwissender dann doch irgendwelche poppi-bunt schreienden Kitschläden, unzählige Automaten, Fast-Food-Filialen etc. Aber nix – Auch hier im Canyon ist alles so in die Natur eingegossen und architektonisch so dezent gestaltet, dass es kaum auffällt.

Desert View Point Tower

Nach dem Frühstück laden wir den GMC voll und fahren zum Besucherzentrum, um von dort aus eine kleine Wanderung am Rim entlang zu machen. Vom Mather Point aus geht es bis zum Yaki Point, dort noch ein paar Meter in die Schlucht hinein. Die Tour dauert ein paar Stündchen, natürlich unterbrochen von so manchem Fotoshop und einer kleinen Keks-Cola-Vesper mit Füßen-über-der-Schlucht-baumeln. Man entschuldige meine Ausdrucksweise im voraus: Meine Fresse, ist das geil hier! Selbst nach Stunden kann ich mich an diesem Loch nicht satt sehen.
Anschließend nehmen wir den Shuttle Bus zurück zum Besucherzentrum, satteln auf und fahren die komplette Desert View-Road ab, die noch viele weitere Viewpoints zu bieten hat, welche wir auch fast alle mitnehmen. Der Abschluss erfolgt dann am Desert View Watchtower. Was soll man nun noch zum Grand Canyon groß schreiben? „Er hat tiefe Empfindungen in mir geweckt?“ Ich glaube einfach, dieses Naturwunder sollte jeder einmal selber gesehen haben. Mich und auch meine bessere Hälfte hat es schlicht umgehauen. Er ist einfach so unglaublich riesig und schön und man bekommt eine große Ehrfurcht vor Mama Natur.

Um 16 Uhr verlassen wir den Nationalpark und begeben uns wieder „richtig“ on the road in Richtung Page. Etwa 140 Meilen in 2 ½ Stunden liegen vor uns. Von der Strecke selbst erwarte ich lange, nicht enden wollende Straßen, ein paar Steine und Langeweile bei strikten 65 Miles per Hour im Tempomat. Aber kaum sind wir raus aus dem Park, grüßt aus der Ferne Humphrey Peak, ein 3800er mit schneebedecktem Gipfel. Dann fahren wir plötzlich auf eine Ebene zu, die den Begriff „Weite“ für mich neu definiert. Die Schlucht des Colorado schlängelt sich durch eine Landschaft in allen Grün-Schattierungen, dazu skurrile Hügel und Berge in diversen Rottönen, das Blau des Himmels mit ein paar Puffwölckchen … ich lasse lieber die Fotos sprechen, auch wenn sie natürlich nicht wirklich vermitteln können, wie WEIT der Blick ging. Und das setzt sich die ganze Fahrt so fort. Mal kommt wieder eine rote, viele hundert Meter hohe Felswand ins Bild, dann Hügel, die wie mit einer Art Moos bedeckt sind und von hellgrün bis knall-türkis schimmern … es ist einfach schwer zu beschreiben. Alleine dieser Streckenabschnitt hätte ein Tagesziel sein können. Als sich dann plötzlich nach einem Zickzackkurs zwischen Felswänden die Ebene von Page vor uns öffnet, gibt es ein weitere OOOHs und AAAHs im Führerhaus des GMC.

On the way to Page

Es ist schon verrückt: Bis auf die „Cameron Trading Post“, einem Motel-Restaurant-Shop-Rastplatz an der Interstate 89, gab es vom Grand Canyon bis nach Page fast keine Anzeichen von Zivilisation außer eben der Autobahn und ein paar vereinzelten Strommasten. Wenn man mal von ein paar hier und da wild siedelnden Indianern in Wohnwagen oder windschiefen Holzhäusern absieht, deren Reservate wir passierten, sah man auf über 200 Kilometern nur Landschaft. Da ist einfach nichts, auch neben der Strecke. Da ist es wieder, dieses „Nichts“ von gestern. Und aus dem Nichts heraus, kommt man plötzlich nach Page hinein, einem 1957(!) gegründeten Ort, der eigentlich zunächst nur eine Bauarbeitersiedlung für den damals dort errichteten Lake Powell-Staudamm darstellte. Und das erste Gebäude nach all der Einsamkeit gleich hinter dem Ortseingang ist … unser Hotel! Amerika – du bist ganz schön groß, meine Fresse!

Das Days Inn ist auch recht groß, sauber, hat einen kleinen Pool und große Zimmer mit allem, was man so braucht. Sogar Frühstück gibt es morgen früh, bin mal gespannt. Wir hüpfen gleich in den Pool, kühlen uns erst mal ein bisschen ab. Dann geht es nach einer Dusche direkt zu Big Johns Texas BBQ mitten im Ort. Ein Tripadvisor-Tipp. Es gibt lecker BBQ aus einem großen Smoker, der direkt an der Straße steht und unafhörlich vor sich hinpafft. Den Weg zu finden ist einfach – immer dem Geruch nach. Dabei passieren wir die diversen Schulen dieses Ortes und mindestens acht verschiedene Kirchen aller christlichen Splittergruppen, die es hier so gibt. Natürlich nicht alle wie Kirchengebäude aufgemacht, viele sehen aus wie ein normales Haus. Den Tripadvisor- „Geheimtipp“ zu Big Johns haben sehr viele Menschen gelesen 😉 Auf den Bänken unter dem Dach der ehemaligen Tankstelle sitzen vielleicht 30 Prozent Einheimische. Der Rest sind Touristen – darunter viele Asiaten. An unserem Tisch sitzen wir mit Belgiern, Deutschen und Neuseeländern zusammen. Das Smoker-Fleisch in zahlreichen Darreichungsformen ist großartig. Dazu oder danach gibt’s Erdnüsse im Eimer auf dem Tisch, Schalen kommen auf den Boden. Um 21 Uhr sind auch wir schon wieder total im Eimer, aber ein kurzer Besuch im megagroßen Walmart direkt vor unserem Hotel muss noch sein. Möglich, dass wir morgen wiederkehren. Ich sag nur: Wrangler-Jeans für 16 Dollar! Im Hotel wird fix die Fotoausbeute des Tages gesichtet und das hier getippt, dann fallen auch schon wieder die Augen zu.

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