Reisebericht Dänemark/Jütland mit dem Wohnmobil / Tag 7-10

TAG 7 / HANSTHOLM – HIRTSHALS
26.08.2007

Es hält, das Wetter. OK, morgens werde ich wieder von Regen geweckt, aber pünktlich nach dem Frühstück und dem unvermeindlichen Ver/Entsorgen strahlt et Sönnchen vom Himmel. So muß das! Dazu weht zwar ein ziemlich kräftiges Windchen, aber solange die Sonne strahlt, ist mir (noch) alles egal. Mein erstes Ziel ist Bulbjerg, bzw. Bulbjerg Klit, ein Felsen, an dem unzählige Dreizehenmöwen nisten und der daher ein tolles Naturschauspiel sein soll. Ich habe keine einzige Möwe gesehen, aber ein Naturschauspiel war es trotzdem. Man kommt sich immer so klein vor auf solchen Punkten. Der 45m hohe Fels, Meer soweit das Auge reicht … ich liebe so was! Mitten auf dem Klit steht übrigens, (na, wer errät es?) eine Hinterlassenschaft aus 1943. Der Peilbunker diente dazu, der gestern von mir besuchten Batterie  in Hanstholm genaue Zielanweisungen zu geben. Also eine gute Sicht hatten die Brüder damals auf jeden Fall von dort.

Nørre Lyngby – Meer essen Häuser auf

Weiter geht es nach Thorup Strand. Ein kleiner Ort in der sogenannten „Jammerbucht“, die ich heute quasi von unten nach oben bereise. Das besondere hier: Die Fischerboote laufen nicht in einen Hafen ein, sondern werden mit großen Stahlseilen per Winde an den Strand gezogen. Soll ein tolles Schauspiel sein, verpasste ich aber natürlich – die Boote liegen alle schon wieder am Strand. Sieht trotzdem toll aus und nach einer kleinen Foto-Session bin ich pünktlich vor einem Fünf-Minuten-Sturzregen (man gewöhnt sich an alles) wieder im Mobil. Mein nächstes Ziel ist Nørre Lyngby – ein schnuckeliger Ort, der quasi nur aus Ferienhäusern und Supermärkten besteht. Kein Wunder – die Ausicht auf die Nordsee ist von der Anhöhe des Ortes aus phantastisch. Kleiner Haken an der Sache: Erosion. Dass das Meer unauförlich am Land nagt, ist mal eine altbekannte Tatsache. Selten sieht man es aber so verdeutlicht wie hier. Etwa einen Meter jährlich verliert Nørre Lyngby an Küstenstreifen. Das klingt nicht eben viel, hat in den letzten Jahrzehnten aber so einige Ferienhausbesitzer ein paar graue Haare gekostet. Drei oder vier Häuser sind bereits einige dutzend Meter in die Tiefe gestürzt, eine komplette Straße hat es auch schon zur Hälfte erwischt.  Der Ort hier war übrigens ein Tipp des Modellfliegers, den ich gestern getroffen habe. Er hat erzählt, dass eins der  abgestürzten Häuser bereits zu etwa ein Viertel mit dem Hintern in der Luft stand und trotzdem vorne noch Leute ihre Ferien drin verbracht haben. Muss ein absolutes Miet-Schnäppchen gewesen sein 😉 Wer „die nächsten“ sind, ist abzusehen. Zwei Häuser dürften in den nächsten Jahren verschwunden sein, bei einem (unten rechts) nagt der Steilhang schon am Gartenzaun. Am Strand sind noch einige Trümmer zu sehen und aus dem Hang ragen Wasserrohre metertief ins Nichts.

Nachdem ich ja schon meinen „Hafentag“ und meinen „Weltkriegstag“ hatte, habe ich heute meinen „Naturgewaltentag“. Schade, dass man Wind nicht fotografieren kann. Eine solche Brise habe ich wirklich noch nicht erlebt. Ich hab  keine Ahnung von Windstärken, würde mich aber mal interessieren was es für eine Stärke ist, wenn man sich in den Wind fallen lassen kann ohne umzukippen oder beim gehen teilweise zur Seite weggeweht wird und stolpert. Dieser Wind und der Anblick des Steilhangs machen auf mich richig Eindruck. Aber es soll noch besser werden: Die berühmte Wanderdüne Rubjerg Knude steht als nächstes auf dem Tages-Programm.

Rubjerg Fyr von hinten blind durch eine Plastiktüte fotografiert.

Berühmt ist sie nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch wegen dem Rubjerg Fyr. Einem Leuchtturm, der 1900 gebaut wurde und 1968 schon in Rente gehen musste, weil die Düne ihn schlicht und einfach so zugeweht hat, dass sein Leuchtfeuer nicht mehr zu sehen war. Er selbst und die nebenstehenden Gebäude wurden seitdem als Museum für Flugsand genutzt – und letztlich auch von selbigem verschluckt. Aktuell ist von den drei Gebäuden nur noch eines halb zu sehen und der Leuchtturm ist auch schon gefährlich zugesandet. Auf dem Weg zum Rubjerg zur Düne über eine fiese Schotterstraße habe ich die erste Feindberührung mit dem Sand. Ich bleibe fast stecken! Einen guten halben Kilometer geht es im Rückwärtsgang wieder den Berg hinab. Gut, dass in dem Moment keiner kam. Ich parke irgendwo am  Straßenrand und nehme geistesgegenwärtig eine klare Plastiktüte mit, in die ich meine Kamera einwickle. Man weiß ja nie… Auf halber Strecke kommen mir zwei Schweizer entgegen. Schweizer Terroristen besser gesagt,  denn sie sind komplett vermummt und sehen aus, als würden sie gleich eine Bank überfallen oder sich vor mir in die Luft sprengen wollen. Beide winken, registrieren mein breites Grinsen und rufen „Das war absolut nötig“. Ach, papperlapapp, dass bisschen Sand wird schon nicht so schlimm sein. Die Düne vor mir macht sich wirklich gut, sieht aus wie ein Stück Sahara mitten in Dänemark.

Je näher ich komme, um so mehr peitscht der Sand in mein Gesicht. Nicht vergessen: die Windstärke ist unverändert! Am Fuß der Düne spucke ich zum ersten mal Staub aus. Auf halber Strecke ziehe ich mir die Kapuze komplett übers Gesicht. Oben angekommen muss ich mich gegen den Wind drehen, damit mir die Haut nicht vom Gesicht gesandstrahlt wird. Hölle – Das „bisschen“ Sand ist schlimm! Ich komme nur noch rückwärtsgehend vorwärts, erschwert nicht nur durch den Sand, sondern auch durch den Wind. Ich kann den Blick immer nur Bruchteile von Sekunden zur Seite drehen um zu sehen, wo ich hinlaufe. Wenn ich es länger versuche, kann ich gar nichts mehr sehen, weil der Sand mir die Augen zuklebt. Irgendwann stoße ich mit dem Rücken an die Reste des Leuchtturms und hoffe, wenigstens hier ein bisschen Schutz zu bekommen. Nix da, hier tosen kleine Windhosen und blasen mir ins Gesicht. Schnell wieder rauf auf die Düne, ich gebe die Hoffnung auf, den Leuchturm nicht nur zu ertasten, sondern auch sehen zu können. Ich halte mir den Beutel mit der Kamera auf den Rücken und schieße durch die Plastiktüte hindurch wild in der Gegend hinter mir herum in der Hoffnung, dass wenigstens ein Foto etwas wird. Und – Photoshop sei Dank – aus einem konnte ich tatsächlich etwas halbwegs Brauchbares basteln.

Wieder auf dem Schotterweg zum Auto unterwegs, kommt mir ein älteres deutsches Pärchen entgegen und guckt mich lachend an. Erst jetzt registriere ich, dass ich aussehen muss wie die Schweizer vorhin. Der Mann trägt eine ungeschützte, große Nikon Spiegelreflex, dass Modell konnte ich nicht erkennen, aber sie muss teuer sein. Ich deute auf die Kamera und frage ihn, ob er die noch etwas länger benutzen möchte. Nach meinem Bericht entscheiden die beiden sich, lieber zur nahe gelegenen Marup Kirke zu wandern. Da möchte ich gleich auch hin, aber erst muss ich mich am Womo „entsanden“. An der wenige Kilometer entfernten kleinen Kirche von Siebzehnhundertschlagmichtot bietet sich mir ein jetzt fast schon vertrautes Bild. Der schicke kleine Friedhof vor der Kirche wurde von den Klippen schon gut angenagt. Auch die
Kirche wird wohl nicht mehr allzu viele Jahre haben. Schade eigentlich. Die dahinterliegenden Klippen sind nicht weniger spektakulär. Lustig: Überall um die Kirche herum sind Absperrungen zu den Klippen mit Warnschildern die besagen, dass man bloß nicht die Absperrung übertreten solle, um die Flora nicht zu zerstören, die der Erosion wenigstens etwas Einhalt gebiete. Von „Lebensgefahr“ oder so steht da nix. Und hinter der Kirche ist schon gar keine Absperrung mehr vorhanden. Aber zahlreiche plattgetretene Pfade zeigen, dass die auch nichts
nützen würden. Es gibt tatsächlich laut Trampelpfad jede Menge Leute, die bis ganz ans Ende der (Sand!)-Klippen gehen, um runterzugucken. Wie bekloppt muss man eigentlich sein?

Genug Naturgewalt für heute. Es geht nach Hirtshals, zum ruhigen Campen. Aber da habe ich die Rechnung wieder ohne den Wind gemacht. Der (einfache) Hirtshalser Campingplatz liegt genau am Meer. Direkt am Meer. Und der Wind ist unverändert. Also werde ich hier gut durchgeschüttelt. Eigentlich müsste man dabei ja ganz gut schlafen können. Außerdem entschädigt der Blick. In mein „Schlafzimmer“ blitzt der Sonnenuntergang und durch das Seitenfenster (meinem „Wohnzimmer“) strahlen später der Hirtshalser Leuchtturm und der Vollmond um die Wette. Nacht!

 

TAG 8 / HIRTSHALS – SKAGEN
27.08.2007

Ich konnte gut schlafen, zu gut sogar. Wieder mal später als geplant, mache ich mich nach dem Frühstück und einpacken auf, allerdings nur ein paar Kilometer zum Nordseeaquarium in Hirtshals. Mit dem Ozeanarium besitzt es angeblich das größte Aquarium Europas. Ich glaube es gern. Allein die große Scheibe ist sechs Meter hoch und zwölf Meter breit. Dazu gibt es noch diverse andere Gucknischen und einen Keller, bei dem man quasi auf den Meeresboden gucken kann. Denn das Ozeanarium sowie die unzähligen anderen Aquarien hier zeigen ausschließlich das Leben in Nord- und Ostsee. Eine sehr eindrucksvolle Gechichte. Ausserdem wird einem viel über die Anatomie der Meeresbewohner berichtet oder wie die Kette vom Fischkutter auf den Teller abläuft. Wie ich es mitlerweile aus dänischen Museen kenne, fehlt nirgendwo
eine Erklärung (zudem alle in Englisch und Deutsch) und alles hat diesen „Erlebnisfaktor“. Beim Abschnitt über das Leben der Fischer steht zum Beispiel ein halber Fischkutter in der Halle (im Original), bei dem man die Koje begehen kann und sich über die Enge wundern darf. Dazu läuft in Endlosschleife auf einem Fernseher in der Koje ein Film, der echte Fischer während der Pause in der Koje zeigt. Nur ein Beispiel.

Wissen wird einfach interessant vermittelt, für Kinder und Ältere gleichermaßen. Also entweder war ich in Deutschland bisher in den falschen Museen oder die 5,5 Mio. Dänen haben es einfach besser drauf, erlebnisreiche Ausstellungen hinzuzaubern. Wo ich gerade bei den Dänen bin: ein paar Eigenheiten bekomme ich den paar Tagen hier ja schon mit. Eine ist zum Beispiel, dass die Leute hier Eis lieben. Es scheint zu den Grundnahrungsmitteln zu gehören. An jeder Ecke steht zumindest eine Truhe mit Eis am Stiel. An jeder zweiten Ecke gibt es Softeismaschinen oder Eisstände. Alleine im Nordseeauquairum zähle ich vier „Eisstationen“. Der Star des Hauses, der Mondfisch, ist leider bei einem großen Brand in 2003 umgekommen. Zwar konnten seitdem zwei neue im Ozeanarium angesiedelt werden, aber die sind längst noch nicht so groß wie der „alte“. Trotzdem schon  beeindruckend, dieser hässliche und irgendwie auch nette Fisch.

Ozeanarium Hirtshals

Prächtig! Während ich im Aquarium war ist anscheinend ein amtlicher Regenschauer runtergegangen und jetzt scheint die Sonne. Genau richtig, um zum Hirtshalser Leuchtturm zu fahren, der letzte Nacht so nett zu mir hereingeschienen hat. Leider ist er gechlossen und ich kann die 57 Meter nicht hochklettern. Dafür finde ich zu seinen Füßen einen schnellen Cache und besuche das nebenan gelegene Bunkermuseum. Jaja, auch hier waren die Braunen und haben sich wieder einmal monumental verewigt. Aber ich möchte hier nicht mit Details langweilen 😉 Auf jeden Fall sehenswert, sogar die alten Laufgräben zwischen den Bunkern bestehen noch. Und der wieder mal freiwillige Eintritt von 10,- Kronen ist ein Witz für das Gebotene.

Beim passieren des Ortsschildes winkend verlasse ich Hirtshals. War schön hier. Auf nach Skagen, dem nördlichsten Punkt Dänemarks und somit auch meiner Tour. Vorher aber ist ein Halt bei der Rabjerg Mile absolutes Muss. Ähnlich wie bei der nicht allzuweit entfernten Rubjerg Knude von gestern ist auch die Rabjerg Mile eine Wanderdüne. Allerdings einiges größer, noch gefräßiger und nicht ganz so hoch. 15 Meter pro Jahr schluckt sie die Umgebung, in der praktischerweise keine Gebäude herumstehen, sondern ausschließlich Heide. Schon am Parkplatz großes Staunen. Das ist die Wüste! Scharf – ich bin fast im höchsten Norden von Dänemark und kann in der Wüste spazieren, nicht schlecht. Temperaturmäßig habe ich mir die Wüste zwar immer ganz anders vorgestellt, aber ansonsten muss ich sagen – Heftig! Wohin das Auge blickt sieht es Sand, Sand und nochmals Sand. Da kann mich auch das kurze Gewitter nicht mehr kratzen, zumal es den Himmel für Fotos so schön dramatisch macht. Was soll ich hier noch mehr schwärmen, guckstu Bildergalerie.

Rabjerg Mile. Die kleinen schwarzen Pünktchen am Horizont sind Menschen.

Als ich endlich in Skagen ankomme, ist es schon halb sieben. Schnell noch in den erstbesten Supermarkt lecker Steaks für die Pfanne kaufen und ab nach Grenen, nördlich von Skagen, zum nördlichsten Punkt Dänemarks auf den nördlichsten Campingplatz des Landes. Gefällt mir gut hier, ein schöner Platz. Nur hundert Meter von der Ostsee gelegen. Dabei ist die Nordsee nur einen Kilometer entfernt. Verrückte Welt. Morgen stehen diverse Punkte in und um Skagen und natürlich das „Nordkap“, wo Ostsee und Nordsee ineinanderfließen, auf dem Programm. Übrigens: Heute Abend scheinen der Mond und ein Leuchtturm in mein Womofenster 😉 Zufälle gibts …

 

TAG 9/ SKAGEN – Aalborg
28.08.2007

Eine ruhige Nacht, aber sowas von. Morgens gilt es also, schnell zu ver- und entsorgen (und die neugierigen Blicke der dänischen Platznachbarn zu ignorieren) und ab zum nur zwei Kilometer entfernten „Nordkap“ Dänemarks zu düsen. Am großen Parkplatz ein paar Kronen in die Ticketmaschine und ab zu Fuß Richtung Norden. Der „Sandormen“ (Sandwurm), ein Trecker mit Anhänger, fährt die Besucher vom Parkplatz zur Nordspitze, aber ich möchte zu Fuß gehen. Bevor ich jedoch den etwa 20minütigen Spaziergang auf mich nehme, besuche ich das nördlichste Gebäude Dänemarks. Es beinhaltet ein Restaurant und in der unteren Etage ein Museum des Skagener Malers Axel Lind. Der gute Herr Lind hat sich in seinen (hauptsächlich in Öl gehaltenen) Malereien auf das Thema „Meer“ und „Eisberge“ beschränkt – und das Zeit seines Lebens. Wenn man jetzt noch bedenkt, das er am 01.08.2007, also vor knapp vier Wochen, 100 Jahre alt geworden ist und immer noch gut von seiner Kunst leben kann, dann ringt einem das schon Respekt ab. Dazu kommt noch, dass mir seine Bilder absolut zusagen. Auch wenn es wohl wenige Vegleiche gibt glaube ich kaum, dass jemand anderes die Dramatik von Wellen, Gischt und Strömung so gekonnt auf Leinwand bannen kann. Das dachten wohl auch zahlreiche prominente Zeitgenossen, zum Beispiel Michael Gorbatschow. Jede Menge Dokumente, Zeitungsausschnitte und Fotos belegen in Nebenräumen des Museums das bewegte Leben Axel Linds und seine Treffen mit vielen prominenten Nasen. Viele seiner Bilder sind in Skagen entstanden und noch immer sitzt er im Eingangsbereich seine Museums, um die Besucher zu begrüßen.

Axel Lind Museum

Eine Mitarbeiterin (seine Tochter?) kümmert sich um das Kassieren des Eintritts und beantwortet Fragen und Axel Lind sitzt, mit unübersehbarem Hörgerät ausgestattet, daneben und gibt hier und da ein Kommentar ab oder unterhält sich mit den Besuchern. Ich laufe staunend durch die Ausstellung, die neben Linds Bildern auch viele Skulpturen seiner bereits verstorbenen Frau enthält. Wieder am Eingang komme ich einfach nicht drum herum, mir einen Kunstdruck eines seiner Bilder zu kaufen. Meiner gestikulierten Bitte um Signierung des Posters kommt der Meister gerne nach, und nachdem seine Gehilfin ihm auf dänisch gesteckt hat, dass ich Deutscher bin, fängt er plötzlich an, in fast akzentfreiem Deutsch zu erzählen. Die Unterhaltung ist allerdings eher einseitig, da sein Hörgerät wohl nicht laut genug eingestellt ist. Als ich der Dame auf Englisch sage, sie möge ihm ausrichten, das ich seine Kunst toll fände und dass das Poster einen Ehrenplatz in meinem Wohnzimmer erhalten werde, winkt sie mich näher heran, schiebt mal eben den Volume-Regler des Hörgerätes auf „Max“ und hält mir das Mikro hin. Nachdem ich meinen Satz nochmals losgeworden bin drückt er mir mit seiner rechten, riesigen Hand ganz fest die meine, will sie kaum mehr los lassen und meint unter anderem „Auf Wiedersehen, mein Freund. Du hast jetzt eine schöne Erinnerung an Skagen und an mich“.

Man trifft ja recht selten einen 100jährigen, und wenn derjenige auch noch ein Künstler und ein solcher Hüne mit locker 1,92m oder mehr Körpergröße ist sowie eine solche Ausstrahlung besitzt, haut mich das einfach um. Ich frage die Assistentin noch halb scherzhaft, was er getan habe, um so alt zu werden. Sie antwortet ganz einfach „He just had an very interesting life“. OK – wenn das alles ist, dann arbeite ich ab heute dran! Noch kurz angemerkt: Bis vor dreißig Jahren hatten Axel Lind und seine Frau ihr Museum in einem Nebengebäude vom
Rubjerg Fyr, dass jetzt unter Sand begraben liegt (siehe Tag 7).

Hinter dem Axel Lind Museum um die Ecke umkurve ich eine der unvermeindlichen deutschen Bunkerruinen und stehe schnell am Ostseestrand. Ein Blick gen Norden zeigt, dass sehr viele Menschen gerne einmal gleichzeitig in zwei verschiedenen Meeren stehen wollen. Ich laufe direkt neben der lauen Brandung entlang, um nach etwa 15 Minuten endlich an der nördlichsten Landspitze Dänemarks angekommen zu sein, Sie besteht zwar aus nichts weiterem als aus einer paar Metern breiten Sandbank, aber mindestens fünfzig Menschen kloppen sich um ein Erinnerungsfoto. Was mich mehr fasziniert ist, dass Nord- und Ostsee nicht einfach so zusammenfliessen, sondern dass die Wellen beider Meere tatsächlich in der Mitte zusammenklatschen! Aufgrund dessen ist hier auch eine tierische Strömung angesagt, auf die zahlreiche Warnschilder hinweisen, die ein striktes Badeverbot wegen Lebensgefahr anzeigen. Ein paar Idioten stört das natürlich nicht und sie werfen sich lachend in die Fluten.

Hier klatschen sie zusammen, die Nord- (links) und die Ostsee

Ungeachtet der Besuchermassen bleibe ich lange an der Spitze stehen und gucke auf den Horizont hinaus. Es ist nur ein blöder Punkt voller Sand und Wasser, aber er fasziniert mich. Und was ich außerdem bereits seit gestern feststelle: Ddie zahlreichen Künstler, die sich in der Vergangenheit und heute noch in Skagen tummeln haben recht. Sie sagen, hier herrsche einfach ein ganz
besonderes Licht. Das kann man jetzt leider nicht mit Fotos ausdrücken, aber sie haben Recht! Irgendwie wirken die Kontraste hier stärker, der Himmel ist fast türkis und die Weite des Blickfeldes tut ihr übriges dazu. Bevor ich mich auf den Rückweg zum Parkplatz mache, sage ich der Nordsee noch „Tschüss“. Es ist schon witzig hier oben. Du stehst auf einem Stück Sand und ein paar Meter links von Dir klatscht die Nordsee in ein grünliches blau getaucht tosend an den Strand, während rechts von Dir die Ostsee tiefblau ganz sachte an den Strand rollt und kaum
Wellen verursacht.

Am Parkplatz wird erst mal „entsandet“, denn natürlich war ich wenigstens mit den Beinen im Wasser ;-). Währenddessen hält neben mir ein deutsches Womo. Die Frau steigt aus und geht zum Parkticktautomaten. Zurück am (großen & teuren) Womo sagt sie laut zu ihrem Mann „Die wollen hier zehn Kronen die Stunde!“ (etwa 1,35 EUR). Darauf schüttelt der Mann mit dem Kopf und die beiden fahren wieder ab. Ja nee, is klar … Noch voller Eindrücke geht es jetzt erstmal in Richtung Innenstadt von Skagen, um noch einen Cache abzuhaken und Souveniers einzukaufen. Das Städtchen ist wirklich hübsch. (Fast) alle Häuser sind in gelber Farbe gestrichen und alles wirkt sehr aufgeräumt und sauber. Fotos mache ich trotzdem keine. Eine Fußgängerzone ist eben eine Fußgängerzone, ob mit gelben Häusern oder ohne. Jetzt schnell noch bei der „versandeten Kirche“ am Ortsausgang von Skagen vorbeigeschaut. Wieder einmal eine „Düne-mit-großem-Hunger-essen-Gebäude-auf“-Gechichte. Die Kirche ist schon lange außer Betrieb und die Düne anscheinend (wenn ein Laie wie ich das beurteilen kann) auch nicht mehr wirklich aktiv. Nunja, kann man sich angucken, muss man aber nicht.

Gegen 16.30 Uhr geht es ab ins anderthalb Stunden enfernte Aalborg. Also an der Ostseeseite entlang gen Süden und somit wieder Richtung Heimat. In Aalborg folge ich einem meiner Reiseführer und navigiere zu einem Parkplatz, bei dem das Übernachten im Womo geduldet ist. Eine gute Empfehlung. Zwar ist der Platz ein Schotterparkplatz wie jeder andere auch, aber das Ufer des Limfjords ist nur drei Minuten zu Fuß entfernt und da er durch Bäume und eine Hecke von der Hauptstraße abgegrenzt wird, scheine ich auch relativ ungestört zu stehen. Also erstmal auf ein Döschen Carlsberg ans Limfjordufer und Kanufahrer gucken. Zurück am Womo beschleicht mich eine leichte Müdigkeit, der ich ein halbes Stündchen nachgeben möchte. Aus dem halben Stündchen wird allerdings nicht wirklich etwas, denn kurz nachdem ich eingenickt bin, trötet laute Musik los und ein irrer Typ blökt sich die Seele aus dem Leib.

Erst jetzt registriere ich, dass auf der Wiese nebenan (durch Bäume verdeckt) der Zirkus „Nemo“ zu Gast ist. Scheint eine Art Comedyzirkus zu sein, denn der Kerl am Mikro rattert immer weiter auf dänisch Gags herunter und das Publikum schreit vor Lachen. OK, dann eben jetzt schon ab in die Innenstadt. Etwa eine Viertelstunde später stehe ich vor der Partymeile Aalborgs, der „Jomfru Anne Gade“. Angeblich eine Art Reeperbahn, nur ohne Rotlicht, die jeder Däne kennt, auch wenn er noch nie hier war. Durch die Straße schlendern ist aber nicht, da sie für eine Modenschau gesperrt ist, die dort gerade abgeht. Die Models warten neben mir mit nackten Füßen auf dem Kopfsteinpflaster und bibbern sich bei geschätzten 13 Grad warm. Also ziehe ich eben weiter und esse erst mal einen Happen bei einer Fastfood-Filiale. Danach schlendere ich zur „Jomfru“ zurück, doch die Modenschau ist immer noch dran. So mache ich noch ein paar Fotos, unter anderem von einem hübschen Brunnens und eins vom Plakat dieses komischen Zirkusses. So sieht der Typ also aus …

Stadtansichten aus Aalborg. Im Hintergrund das Limfjordufer.

Die Modenschau hält sich hartnäckig. Ich habe keine Lust mehr zu warten, so toll kann die Straße gar nicht sein, und entere den erstbesten Pub, dem ich über den Weg laufe. Ein „irischer“ welcher, der „Old Games Pub“. Halb Aalborg scheint auf der „Jomfru“ zu sitzen und frierende Models anzugaffen, denn hier an der Bar bin ich alleine mit dem Wirt, einem jüngeren Pärchen und einem Asiaten in Liverpool-Trikot. Während ich an meinem Touborg nippe, möchte ich mir eine Kippe anmachen aber registriere, dass irgendwie keiner raucht … Der Wirt klärt mich auf: Seit 15. August bestehe in Dänemark ein Rauchverbot in Kneipen und Bars über 40 qm. Er geht mit mir nach draußen eine rauchen und diskutiert mit mir auf englisch über die Unsinnigkeit von Anti-Raucher-Gesetzen. Wieder drinnnen schaue ich dem Champions-League-Qualifikationsspiel zwischen Liverpool und Toulouse zu. Na gut, ein Bier noch.

Zwischendurch kommt ein älterer Kerl mit Kamera herein und bestellt eine Flasche Whiskey. Er erklärt mir quasi ungefragt, dass sein Sohn die Modenschau in der Jomfru verbrochen hat und zeigt mir seine Fotos. Die Straße wäre jetzt wieder frei. Aber gerade kommt ein besoffener Kerl rein, der ein wenig Ärger machen möchte und versucht, die Kamera des Whisky-Manns in einen Eiskübel zu stecken. Der Barkeeper (Flemming, wie ich inzwischen erfahren habe), wirft den Kerl kurzerhand raus. Och nö, ich glaube hier bleib ich mal was. Scheint doch noch ein lustiger Abend zu werden … Um es kurz zu machen: Um zwei Uhr bin ich wieder am Womo zurück und ich habe den „Old Games Pub“ nur noch zum Rauchen verlassen. Ich wußte gar nicht, dass ich mich noch so fließend auf Englisch unterhalten kann.

Hier spricht aber auch jeder Englisch! Alle, mit denen ich mich an diesem Abend unterhalte, haben es mehr oder weniger fließend drauf. Und alle hatten Deutsch in der Schule, trauen sich aber nicht, es zu sprechen. Der Asiate (Name vergessen 😉 ) ist im übrigen ein Däne mit japanischen Eltern und erzählt mir viel über Japan und Tokio (ein Traumreiseziel von mir). Und Flemming ist auch mal ein richtig Netter. Leute, wenn ihr mal in Aalborg seid – geht in den „Old Games Pub“ in der Ved Stranden 5! Für diesen Satz habe ich einige Shots und ein Päckchen Prince Denmark Menthol spendiert bekommen, also macht das auch ;-)!

 

TAG 10 / AALBORG – ODDER
29.08.2007

Klar, ausschlafen ist angesagt. Erst Recht, nachdem ich noch bis vier Uhr im Womo gesessen und am Bericht getippt hab, da ich überhaupt nicht müde war. Erst um 12 Uhr mache ich mich von Aalborg aus auf, weiter Richtung Süden. Als heutige Ziele sind das Kattegat-Center in Greena und die Stadt Århus anvisiert. Die dänischen Straßen ziehen sich wie Kaugummi, wenn man nicht gerade eine Autobahn unter den Reifen hat. Für knapp 150 km brauche ich gut zweieinhalb Stunden! Das Kattegat-Center selbst ist sehenswert, aber meiner Meinung nach nicht so gut wie das Aquarium in Hirtshals (siehe Tag 8). Es ist ein wenig kleiner, dafür bietet es mit dem Haitunnel eine schöne Attraktion. Allerdings sind die einzelenen Aquarien und Themebereiche irgendwie leicht verwirrend angelegt, so dass man mit dem Plan in der Hand ein wenig suchen muss, um alles zu finden. Dazu kommt, dass die einfach schon um 16 Uhr schließen! Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich den Umweg gar nicht auf mich genommen. So stehe ich also pünktlich um 16 Uhr wieder vor der Tür und mache mich auf nach Århus.

Kattegat-Center

Rush-Hour! Um fünf Uhr komme ich am Stadtring an, Ampel reiht sich an Ampel und Stau auf Stau. Nee, lass mal. Ich bin ohnehin zu spät, die Sonne scheint so schön … Ich suche mir aus dem Campingführer einen Platz für die Nacht am Ostseeufer aus. Nahe eines Städtchens namens Odder, noch etwa 45 Minuten Fahrtzeit südlich von Århus entfernt, werde ich fündig. Dann geh ich eben noch etwas in die Ostsee baden, ich war schließlich noch nicht richtig im Meer! Habe ich bereits erwähnt, dass das Wetter hier quasi binnen Minuten umschlagen kann? Als ich am Camping ankomme, herrscht eine geschlossene Wolkendecke bei etwa 15 Grad. Hm. Ein Blick auf den „Strand“ lässt dann alle Schwimm-Ambitionen verfliegen. Es mag schöne Ecken an der Ostsee geben, ich war im letzten Jahr selbst an einigen, aber hier herrscht leider die oft übliche Ostsee-Plörre vor. Ein geschlossener Algen- und Tangteppich vor dem Wasser, welches müde zentimeterweise daherschwappt. Da hat jeder Binnensee mehr Wellen. OK, dieser Tag ist für den Arsch. Ich koche was Leckeres, dusche und ziehe mich ins Womo zurück um etwas zu surfen und einen Film zu sehen.

Am späten Abend sind es draußen wenigstens 6-8 Grad. Ohne Innenheizung geht im Womo gar nichts. Brrr …Morgen ist also der letzte Tag in Dänemark. Ich hatte eben die grandiose Idee, einfach gar nichts zu machen. Ich möchte mir in der näheren Umgebung einen schönen Ostsee-Stellplatz suchen, da mein Lager aufschlagen und, so die Sonne will, etwas planschen. Ansonsten ein bisschen lesen, gammeln, faulenzen. Abends soll es dann an die deutsche Grenze gehen, damit die Rückfahrt am Freitag kein Autobahn-Marathon wird, die hasse ich nämlich. Mit anderen Worten – sollte sich nicht noch etwas Berichtenswertes ereignen, schließe ich hiermit diesen Reisebericht schon mal vorab. Danke fürs Zulesen!

 

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