Reisebericht Portugal – Weltkultur und noch viel Meer / Tag 1-2

TAG 1 / KÖLN – LISSABON
10.09.11

Der Flug von Köln verläuft unspektakulär, um 13.00 Uhr landen wir pünktlich in Lissabon. Beim Anflug sind wir durch eine Wolkendecke getaucht, die tief über Lissabon hängt. Damit hatten wir nicht gerechnet. Vom Flughafen in die Stadt empfiehlt sich der Aerobus, der praktischerweise direkt vor dem Terminal abfährt und 3,50 EUR pro Nase verlangt. Am Rossio in der Stadtmitte angekommen wird erst mal die Lage gecheckt. Irgendwo in der Nähe muss unsere Ferienwohnung sein, aber wo?

Die Straße ist auf der Karte nicht zu finden. Vor einem Restaurant fragen wir den Kellner, der zuckt aber nur mit den Schultern und ruft den Koch. Auch dieser bedauert, ruft aber dafür den Chef. Wenig später stehen alle drei mit der Karte in der Hand vor dem Laden, rätseln und debattieren. Am Ende springt der Koch auf die Straße, um ein heranfahrendes Taxi anzuhalten und hält dem Fahrer unsere Karte unter die Nase. Aber auch der Taximann hat offenbar nie von unserer Straße gehört. Wir bedanken uns bei allen für die freundliche Hilfe und ziehen ein paar Sekunden lang weiter, bevor uns 30(!) Meter vom Restaurant entfernt aus einer kleinen Nebengasse heraus das Schild entgegen leuchtet, dass wir so verzweifelt gesucht haben: Rua da Pedro Martir.

Samstagabend in Lissabon

In unserer Wohnung warten die Vormieter, ein nettes italienisches Pärchen, gerade auf die portugiesische Vermieterin, um die Kaution zurückzuerhalten und abreisen zu können. Wir rufen die Vermieterin Sandra gemeinsam an und sie verspricht in zehn Minuten da zu sein. Daraus werden zwar dreißig, aber in der Zwischenzeit unterhalten wir uns nett mit Händen und Füßen mit den Italienern in einem englisch/deutsch/italienisch-Mix und erhalten ein paar Tipps für die Stadt. Sandra ist sehr nett, erklärt uns auch einiges und möchte dann die Wohnung reinigen. Wir verziehen uns derweil, schlendern über den Rossio die Rua Augusta hinab zum Praca do Comercio, Tejo-Luft bzw. Meerluft schnuppern. Schön da unten!

Auf dem Weg zurück zum Rossio halten wir in einem Straßencafé an und trinken einen Bica (quasi ein Espresso, heißt aber hier Bica). Der Nachbar am Nebentisch entpuppt sich als Berliner, der uns auch noch mit ein paar Tipps versorgt. Anschließend decken wir uns in einem Supermarkt mit ein paar Vorräten ein und dackeln zurück zur Wohnung, duschen und ausruhen. Sehr laute Musik verkürzt unser Nickerchen auf ein paar Minuten. Offenbar werden gerade die aktuellen Fussball-Ergebnisse abgefeiert und ein Nachbar beschallt die ganze Gasse. Viele Leute haben ihre Stühle auf die Straße platziert, nehmen diverse Kaltgetränke zu sich und feiern mit. Der Gemüsehändler von gegenüber tauscht dabei mit einem der Nachbarn Schlachtengesänge aus. Na, hier geht ja mal was ab!

Elevador de Santa Justa

Am frühen Abend ziehen wir ins Bairro Alto, wo das Nachtleben toben und die größte Restaurant-Dichte sein soll. Auf dem Hinweg kommen wir zum ersten Mal am Elevador de Santa Justa vorbei, einem Aufzug, der eine tiefer gelegene mit einer höheren Ebene der Stadt verbindet. Wir suchen länger nach einem Lokal, entscheiden uns schließlich für eines mit Straßengastronomie und stellen fest, dass unsere direkten Tischnachbarn schon wieder Deutsche sind. Das Essen ist ganz nett. Grillen können sie offensichtlich, diese Portugiesen. Salzen aber nicht so. Wir waren vorgewarnt und haben einen kleinen Notfall-Salzsstreuer am Mann, der hier erstmals zum Einsatz kommt. Danach spazieren wir langsam zurück zur Wohnung und kommen kurz vor zwölf müde dort an, zeitgleich mit der Müllabfuhr. Die hat offenbar mal gar kein Problem damit, Samstagnachts mitten in einem Wohnviertel noch scheppernd zahlreiche Altlgascontainer zu leeren ;-).


TAG 2 / LISSABON

11.09.11

Zu Beginn unseres ersten „richtigen“ Urlaubstages spazieren wir nach dem Frühstück zum nahen Praca Martin Moniz und setzen uns mit dem hiesigen Nahverkehrssystem auseinander. Jeder Reiseführer und jeder, mit dem wir bisher gesprochen haben, bezeichnet es als recht kompliziert. Aber eigentlich isses ganz einfach. Man kauft eine Art „Wertkarte“, auf die man verschiedene Tickets drauf laden kann. Alles geht am gleichen Automaten und dauert eine Minute. Wir entscheiden uns für das 24-H-Ticket zu je 4,50 EUR. Es gilt ab der ersten Entwertung im jeweiligen Verkehrsmittel und nicht ab dem Kaufzeitpunkt. Damit kann man alle ÖPNVs benutzen, sprich Metro, Tram, Busse und Aufzüge. Direkt am Praca warten wir anschließend auf die Tram 28. „Die“ Tramlinie in Lissabon, da sie durch die Viertel Baixa, Alfama und Bairro Alto und somit an an vielen Sehenswürdigkeiten vorbeifährt. Aber selbst wenn sie das nicht täte, wäre diese eine Fahrt alleine schon das Ticket wert gewesen.

Mit der Bahn durch die Altstadtgassen

Die Bahn besteht immer nur aus einem einzigen uralten Holzwaggon, wirkt wie frisch aus dem Straßenbahnmuseum geklaut und quietscht und rattert teilweise in wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Stadt. Ohne groß beschreiben zu wollen, wie eng es dabei manchmal wird: Jedes an der Strecke parkende Auto hatte die Rückspiegel eingeklappt. Bei dem ein oder anderen hatte aber auch das keinen Erfolg. In den kurvigen Altstadtgassen braucht man manchmal nur den Finger aus einem der immer offenen Fenster zu halten, um die nächste Hauswand zu berühren. Diese Tatsache kombiniert mit der, dass Lissabon verdammt hügelig ist, macht das „Phantasialand“-Feeling der Bahn aus.

Muss man echt erlebt haben, wie dieses über hundert Jahre alte Gerät eine lange und sehr steile Gasse mit Kurven nimmt, um danach ohne Rücksicht auf Verluste den Berg wieder hinunterzuheizen. An der Endstation der 28 befindet sich der Friedhof Cemiterio dos Prazeres („Friedhof der Freuden“). Lustig geht’s da wie auf jedem anderen Gottesacker zwar nicht zu, aber sehenswert ist er allemal. Interessant fand ich die Tatsache, dass er genau über der Einflugschneise liegt und fast jeder Flieger exakt über dem Friedhof das Fahrwerk ausfährt. Aber das nur nebenbei.

Wie im Süden gerne gesehen, werden die Toten hierzulande in Gruften begraben. Was wir aber bisher noch nicht gesehen haben: Die Grüfte haben Fenster. Manche mit Gardinen, manche ohne, manche schon kaputt und offen. Da stehen dann quasi die an den Gruft-Wänden gestapelten Särge offen herum. Das ist schon irgendwie schräg. Auch wenn sich in den Holzsärgen zusätzlich noch einmal ein Zinksarg mit der Leiche befindet. Woher wir das wissen? Nun, einige Holzsärge haben den Zahn der Zeit nicht überlebt und drunter kommt das Zink zum Vorschein. Einer dieser Zinksärge war allerdings auch nicht mehr ganz dicht, ein Rinnsal eingetrocknetes Leichenwachs belegte dies eindrucksvoll (würg).

Nach dem Friedhofsbesuch geht es zurück in die 28, mit der wir uns bis zur Haltestelle Castello kutschieren lassen, um den dortigen Aussichtspunkt Miranduro de Santa Luzia zu besuchen. Nett da oben, ein schöner Rundumblick über den Tejo und die Altstadt wird einem geboten. Bergab schlendern wir zur Kathedrale Se Partiarcal, die sich außen „Hui“ und innen „Pfui“ präsentiert. Bei der kleineren Kirche San Antonio ein paar Meter weiter den Berg hinab ist es genau umgekehrt. Gegenüber liegt ein Bäcker, bei dem wir uns mit Kaffee und Backwaren eindecken, um auf einem kleinen Platz mit Brunnen ein wenig zu picknicken.

Die bessere Hälfte ist besonders „mutig“ und probiert ein Teilchen mit dem Standard-Nahrungsmittel der Portugiesen: Bacalhau (Stockfisch). Zurück im Stadtzentrum dann ein kleiner Fotostopp am Baixa Praca do Comercio, wo wir gestern schon mal waren. Anschließend bewundern wir am dortigen Denkmal gegenseitig unsere eindrucksvollen Sonnenbrände und schleichen im Schatten der Straßen zum Stadtaufzug Elevador de Santa Justa. Von einem Schüler Gustave Eiffels 1902 erbaut, fährt einen das uralte Ding auf eine höher gelegene Ebene der Altstadt hoch. Soviel nochmal zum Thema „Höhenunterschiede“.

Blick über die Altstadt

Für die Ausichtsplattform ganz oben sind 1,40 EUR fällig, aber die lohnen sich! Dort wartet heute allerdings auch ein dubioser Typ auf Touris, der allen (!!) Frauen, die die Plattform betreten, die Hand auf den Bauch legt und sie fragt, ob sie schwanger sind. Leider habe ich in meinem Foto-Wahn gar nicht mitbekommen, wie er Rebekka angetatscht hat sondern bekam es erst später erzählt … Anschließend gibt er sich wohl sehr redseelig und bittet um Kleingeld. Was für eine dämliche Masche!

Wir kraxeln weiter die steilen Gassen hinauf, um noch einen Blick in die Kirche Sao Roque zu werfen. Selten einen solchen Pomp gesehen, unglaublich (siehe Galerie)! Von unser Vermieterin bekamen wir noch den Tipp, den Aussichtspunkt Miranduro Santa Catarina zu besuchen. Ist nicht ganz leicht zu finden, aber wenn man Einheimische nach „Adamastor“ fragt (einer Bar in der Nähe), weiß jeder Bescheid. Er liegt aber auch direkt gegenüber dem Pharmacie-Museum. Einen schönen Tejo-Blick gibts hier, bis weit hinter die Brücke des 25. Aprils und auf die Jesus-Statue. Und weil es ja schon nach 19 Uhr ist, genehmigen wir uns ein eiskalte paar Bier vom Kiosk. Dabei mischen wir uns unter die lustige Melange an Menschen auf diesem Platz: alte und uralte Portugiesen, junge extrem Alternative so, mit der unvermeindlichen Bongo und so (und Gitarre, Alter!) und sehr vielen Immigranten verschiedenster Abstammung. Wir scheinen die einzigen Touris zu sein.

Leicht angebrütet geht’s mit der 28 zum Rossio, um total ausgehungert im Gasthaus zum goldenen „M“ einzufallen. Es muss heute einfach nur schnell gehen und satt machen. Wir nehmen unser Abendbrot auf einer Bank am Rossio ein, begucken uns dabei das Abendrot und den Brunnen. Abschließend schleppen wir uns noch zum Café „Nicola“ am Rossio, einem sehr bekannten und sehr stark frequentierten Etablissement, um den mittlerweile gesunkene Alkohol-Level an einem Tisch vor dem Café wieder auf Vordermann zu bringen und den Tag ausklingen zu lassen. In den knapp 90 Minuten die wir dort verbringen, werden wir von 13(!) Straßenhändlern und „Künstlern“ angesprochen und um Kohle gebeten.

Ist ja anfangs noch lustig, nachher nervt es aber nur noch. Ich WILL abends um 22 Uhr beim gepflegten Bier weder überteure Riesen-Sonnenbrillen, noch Glitzerringe, echt echte Rolex und auch keinen Shit kaufen. Von den „Künstlern“ die vorbeikamen, um vor dem Café ihre Zehn-Minuten-Performance hinzulegen, konnte auch keiner was. Wer braucht die 1000ste „My Way“-Version auf einem alten Akkordeon in schlecht? Lediglich die Feuerjongleure waren echt gut. Denen hätten wir auch gerne was gegeben, kam aber keiner von ihnen mit dem Klingelbeutel an unserem Tisch vorbei, zis! Zurück in der Wohnung lauschen wir einem kleinen Privatkonzert auf einem Platz über unserem Haus. Die Müllabfuhr kommt wie es sich anscheinend gehört wieder pünktlich um Mitternacht und macht einen tierischen Radau. Kein Wunder, muss sie doch die ganzen unbefahrbaren Kopfsteinpflastergassen zu Fuß ablaufen und die Mülltüten per Hand einsammeln. Hausmülltonnen gibt’s hier kaum. Die meisten legen ihren Müll einfach in Plastiktüten verpackt auf der Straße ab.

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