Megacity Hongkong – Ein Reisebericht / Tag 3

TAG 3 / HONGKONG
Dienstag 03.05.

Viele Tiere, tot und lebendig

Guten Morgen Hong Kong, guten Morgen Wolken! Wie wir gestern von der Touri-Fachkraft auf dem Peak gelernt haben, ist das Wetter ganz normal für diese Jahreszeit, wenn auch verspätet. Normalerweise sei es im April so. Und es ist wieder schwül-heiß bei maximaler Luftfeuchte. Heute ist unser Markt-Tag. Wir fahren rüber nach Kowloon zur Prince Edward Street und flanieren über den Blumenmarkt – sprich ganz viele Floristen in einer Straße – in Richtung Vogelmarkt. Der präsentiert sich nicht als Straße, sondern als kleiner Park mit einigen Vogelhändlern und extrem vielen kleinen Käfigen mit teilweise 15 Vögeln darin. Dazu gibt es massenhaft Lebendfutter wie Mehlwürmer und Kakerlaken zu kaufen. Es ist sauheiß, jetzt schon läuft das Wasser an den Beinen runter. Zum Glück gibt’s auch hier das gute Pocari Sweat zu kaufen, wie in Japan. Isotonisch, praktisch, lecker! Auf dem Weg zurück zur Bahn erleben wir noch einen handfesten Streit zwischen einer Blumenhändlerin und einem Polizisten. Der ruft gleich Verstärkung und auch der Händlerin springen andere zur Seite. Viel Schreierei, die aber glimpflich endet.

Auf dem Fischmarkt geht die Ware tütenweise raus.

Der Fischmarkt ist auch wieder eine Straße mit vielen Geschäften, die ihre Waren vor die Tür hängen. Mit Fischmarkt ist jetzt weniger der Fisch zum Essen, als der zum Angucken gemeint. In hunderten Plastiktüten werden kleine und richtig große Fischlis einfach an eine Wand an der Straße gepinnt. Ein paar Goldfische kann man schon für 10 HKD mitnehmen, als etwa 1,10 Euro. Zwei Stationen mit der U-Bahn später erreichen wir den Lok Fu Market, der im Erdgeschoss einen großen Wet-Market bietet. Sprich Frisch-Fisch und -Fleisch. Und wie! Fische werden aus dem Tank direkt in die Auslage geworfen und zappeln sich tot oder werden bei lebendigem Leib ausgenommen. Nicht nett, dient aber wohl dem Beweis absoluter Frische. In einigen Auslagen liegen Fischköpfe, die noch Muskelzuckungen haben und reflexartig zu atmen versuchen. Rebekka ist ein wenig angewidert, was eine Kundin sichtlich amüsiert. Es gibt wirklich alles zu kaufen, bis hin zu Därmen, Gehirnen oder Schwimmblasen.

Luxus-Schock nach der Sintflut

Zwei U-Bahn-Stationen zurück erreichen wir den Lian Garden, der erst 2006 angelegt wurde. Schön – wirkt aber fast wie ein Freizeitpark, sprich etwas sehr steril und künstlich. Auf Schildern wird darauf hingewiesen, dass gerade irgendetwas stark riechendes blüht. Es ist eher ein widerlicher Gestank. Gleich neben dem Park findet sich das Nonnenkloster Chi Lin Nunnery. Es wurde 1930 gebaut, zwischendurch zerstört (ich glaube ein Feuer) und 1998 wieder neu errichtet. Dadurch ist auch hier ein Freizeitpark-Effekt gegeben, weil alles so unwirklich neu und unverbraucht aussieht. Trotzdem ist die Anlage nett anzusehen, auch eine Nonne stiefelt herum.

Das nächste Ziel kann da schon mehr begeistern: Der Wong Tai Sin Tempel ist eine große, taoistische Anlage unter freiem Himmel, an deren Eingang viele große goldene Statuen wachen. Innen wird um Glück gefeilscht. Dosen voller Stäbchen werden kniend vor dem Altar so lange geschüttelt, bis ein Stäbchen herausfällt. Damit geht man dann zu einem der zahlreichen Wahrsager, die rundherum in Büdchen ihre Dienstleistung anbieten, und lässt sich anhand der Symbole auf dem Stäbchen die Zukunft vorhersagen. Sehr interessant, den Leuten dabei zuzusehen und durch die poppibunte Tempelanlage zu wandeln. Überall qualmen wieder Räucherstäbchen. Ein schöner „Good Wish“-Garden ist gleich um die Ecke und bietet an einem Teich schöne Plätzchen zum Ausruhen.

Wong Tai Sin Tempel

Allerdings wird der Himmel immer dunkler und plötzlich bricht die Sintflut aus. Es kübelt von jetzt auf gleich wie aus Eimern. Schlagartig wird es mindestens fünf Grad kühler – herrlich! Die Menschen hetzen in die U-Bahnen, wir folgen ihnen. Ich brauche sowieso noch eine neue Speicherkarte für die Kamera, 3×64 Gigabyte sind schon vollgeballert in diesem Urlaub. Im Star House am Star Ferry Pier soll es günstige Elektroläden geben sagen diverse Internetseiten. Als uns die Oberfläche wieder hat, regnet es immer noch heftigst. Im Star House ist das Angebot aber eher mau. In einem der drei Fotoläden, der wie ein professioneller Fotofachhändler in Deutschland aussieht, schaue ich mich um. Ob’s hier was billiger gibt als zuhause? Ich mag es kaum glauben. Und richtig: Man will mir eine 64 GB Class 10 SD-Karte von Kingston für umgerechnet 45 Euro andrehen. Ich lächle und sage, dass ich die bei Amazon für 25 Euro bestellen kann. Bei 28 werden wir uns handelseinig. Ja ja, Hong Kong, das Shopping-Mekka für günstige Technik …

Das Star House geht über in die Harbour City Plaza und plötzlich stehen wir dort in einer supermodernen, extrem sauberen und verdammt großen Schicki-Micki-Mall der Luxusklasse. Hallo? Diese Seite der Stadt kannten wir nun noch gar nicht. Hier ist alles auf Hochglanz getrimmt, auch das Publikum. Ist alles nicht unbedingt unsere Sache, aber es regnet Bindfäden und es gibt ganz viele Restaurants. In das erstbeste, einen Portugiesen, kehren wir ein, weil es einen phänomenalen Blick auf den langsam dunkel werdenden Hafen und die Hong Kong Island Seite, „unsere Seite“, mit ihrer atemberaubenden Skyline bietet, die wir bisher überhaupt gar nicht richtig gewürdigt haben. Wir bestellen eine Kleinigkeit, machen uns dann aber schnell auf zum Star Ferry Pier und finden dort sogar ein überdachtes Plätzchen für die tägliche Lightshow um 20 Uhr.

Ein winziger Teil „unserer“ Seite bei Nacht

Diese Hochhauskulisse ist unglaublich, so was haben wir noch nicht gesehen. Und können wir woanders wohl auch nicht, denn Hong Kong hat nach eigenen Angaben die größte bzw. längste Skyline der Welt. Definitiv aber die größte musiksynchrone Lightshow der Welt. Das muss man sich so vorstellen: Man steht auf einer riesigen Aussichtsterrasse und blickt über die 1,2 Kilometer breite Buch rüber nach Hong Kong Island. Aus Lautsprechern dudelt Musik über die gesamte Terrasse und auf der anderen Seite blinken ganze Wolkenkratzer und Laserkanonen auf und an ihnen im Takt. Da werden hunderte Meter hohen Hausfassaden zu einer Leinwand, laufen Bilder und Farben auf Wolkenkratzern, währen Laserstrahlen kilometerweit in den Nachthimmel zucken. Schon Wahnsinn! Ein Gewitter über der Stadt macht die Atmosphäre perfekt.

Nach der Show setzen wir mit der Star Ferry über und nehmen die Metro zurück zum Hotel. Schnell noch bei McDonald’s rein, um einen kleinen Gute-Nacht-Happen zu uns zu nehmen. Vor der Tür liegt wieder derselbe Obdachlose wie gestern. Sein halbes Gesicht ist verbrannt, er hat nur noch ein Auge, doch das scheint blind weil ohne Pupille. Ich stelle ihm eine Tüte mit zwei Cheeseburgern hin. Hong Kong hat mehr als zwei Seiten. Zwischen PradaGucciMontBlanc in blitzend schicken Malls und dem heulenden Elend auf der Straße gibt es verdammt viele Zwischenschritte und Facetten.
Und Hong Kong ist wie ein Hund: Wasser drauf – und es müffelt.

 

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