Reisebericht Portugal – Weltkultur und noch viel Meer / Tag 9-10

TAG 9 / SAO MARTINHO DO PORTO, FATIMA, ALCOBACA
18.09.11

Nach einem Frühstück am Fenster, von dem aus wir die halbe Bucht im Blick haben, entscheiden wir uns für einen Ausflug ins Landesinnere. Ohne Wind wär et Sönnschen so warm, dass man sich durchaus auch ins Meer trauen könnte. Aber es bläst doch ziemlich frisch. Immerhin, Pulli und Socken können wir zu Hause lassen, während wir uns Richtung Fatima aufmachen. Ich bin gespannt, weil ich mal so gar keine Vorstellung von diesem Ort habe. Fatima ist eine der weltweit größten Pilgerstätten und wird jährlich von rund vier Millionen Katholiken aus aller Welt angepilgert, so viel wusste ich. Mehr aber auch nicht. Ich bin im übrigen römisch-katholisch aufgewachsen und – obwohl ich vor einiger Zeit die Mitgliedschaft gekündigt habe – dennoch ein wenig mit den Sitten und Gebräuchen meines ehemaligen Vereins vertraut. Dachte ich zumindest bis heute …

Nach guten 45 Minuten Fahrt über die Pinienwald-Autobahn erreichen wir Fatima. Das gesamte Städtchen scheint sich ausschließlich auf die Pilger eingestellt zu haben. Mehr als ein Dutzend riesige Parkplätze rund um den Ort, unzählige Pensionen, „Zimmer frei“-Schilder und Hotels, die Kreisverkehre sind mit Szenen der Erscheinung geschmückt, usw. Erscheinung? OK, inzwischen weiß ich natürlich Bescheid. Also hier für alle Unwissenden die kürzeste Kurzform: 1916 hüten drei Hirtenkinder aus Fatima ihre Herde, als Ihnen plötzlich ein Engel erscheint und sie ein Gebet lehrt. Das wiederholt sich noch mehrmals im selben Jahr und 1917 erscheint sogar Jesus‘ Mutter höchstpersönlich, auch mehrmals. Später gibt es noch ein „Sonnenwunder“, dem angeblich 100.000 aus Fatima und Umgebung beiwohnen und es bezeugen können. Wer mehr wissen möchte, der bemühe Wikipedia.

Klar, dass aus den ganzen Besuchen der Überirdischen auch der Auftrag hervorging, eine Kapelle zu bauen. Daraus wurde die 1953 eingeweihte Basilika mit monströsem Vorplatz (um einiges größer als der Petersplatz im Vatikan). 2007 kam noch eine unglaublich monumentale moderne Kirche dazu. Allein die schiere Größe des gesamten Areals ist beeindruckend, Glaube hin, Glaube her. In beiden Kirchen und einer Art „Zusatzkirche“ auf dem Vorplatz finden pro Jahr etwa 6500 Messen statt, also rund 18 pro Tag.

Kinder zum Verbrennen zu verkaufen
Auf Knien zu den Hirtenkindern

Aber zurück zum Anfang. Wir parken etwas außerhalb und gehen durch die Fußgängerzone in Richtung der Pilgerstätte. Links und rechts das gleiche Bild: Nippesläden, Restaurants, Hotels, Nippesläden, Cafés, Nippesläden, etc. Die Restaurants werden flankiert von Einfängern, die einen schon auf der Straße ansprechen und die Speisekarte unter die Nase halten. Das Publikum auf der Straße ist bunt gemischt, wenn auch viele ältere und ganz alte, sowie viele kranke und behinderte Menschen auffallen.

Zwischen Fußgängerzone und Pilgerstätte befindet sich ein halbrundes Gebäude, dass an die 40 Souvenierlädchen beherbergt. Jedes schön genormt in der gleichen Größe und bis auf wenige Ausnahmen fast mit dem gleichen Angebot. Im oberen Teil alles, was der Pilger so braucht und im unteren Teil auf Kinderaugen-Höhe billiges Plastikspielzeug und Süßigkeiten. Aber das krasseste ist: Hier werden nicht nur Rosenkränze, kitschige Heiligenbildchen oder Schneekugel-Marien verkauft, nein – hier kann man auch Körperteile aus Wachs erstehen! Selbige, sowie Wachsfiguren der Hirtenkinder und mehrere Meter (!) lange Kerzen gehen weg wie warme Semmeln. Da bommeln also lebensgroße Beine und andere Extremitäten oder Organe aus Wachs im Aushang der Lädchen. Den Preis für besondere Kuriosität erhält von uns der Magen-Darm-Trakt in Wachs.

Spätestens als wir den Vorplatz des Heiligtums betreten wird klar, was das soll. Rauchschwaden liegen in der Luft, es stinkt unglaublich nach Wachs. Wir folgen dem „Duft“ und sehen riesige Grills (anders kann man es nicht nennen, siehe Foto), in denen die Gläubigen ihre Wachs-Opfer – nein, nicht anzünden, sondern einfach hineinwerfen. Wahrscheinlich wäre für das Entzünden der einzelnen Kerzen gar keine Zeit da, jeder möchte ja schließlich ran. Ganz davon abgesehen, dass trotz der Größe der Grillöfen gar kein Platz für jede Kerze wäre und sie aufgrund der Hitze sowieso nicht ordentlich abbrennen würden. Lustiges Detail am Rande: Die großen Figuren werden wohl nicht (alle) ins Feuer geworfen, sondern in Plastikkübeln am Rand abgestellt. Wo die wohl landen? Ein Schelm, wer böses dabei denkt … Die 2007 erbaute moderne Kirche, die wir als erstes besuchen, ist architektonisch wirklich interessant, und eben verdammt groß. Monumental trifft es eher.

Auf dem Vorplatz ist das Schauspiel der es wirklich ernst meinenden Pilgern am interessantesten. Der abfallende Platz bietet eine Linie aus Marmorplatten, auf der man von ganz oben bis ganz unten zur alten Basilika auf Knien herunter rutscht. Manche haben sich Knieschoner mitgebracht, andere tragen Hosen unter den Röcken, viele aber wählen die harte Tour und scheuern sich ordentlich wund. Mein Gott, muss Glaube schön sein. Und das meine ich ernst! Nachdem wir das „Allerheiligste“, die alte Basilika mit den Gräbern der Hirtenkinder, besucht haben, brechen wir leicht kopfschüttelnd auf und diskutieren noch lange, ob und wenn ja wie man diese Kirmesveranstaltung ernst nehmen kann.

Vor unserem Parkplatz am Straßenrand befindet sich ein ganz normales kleines Bäckerei-Café, dass weder nach Abzocke noch nach Pilgerfang aussieht. Hier nehmen wir noch schnell unseren mittlerweile traditionellen nachmittäglichen Bica ein. Die portugiesische Variante des Espressos kostet immer und überall zwischen 0,75 und 0,90 Cent. Dazu gibt es Pasteis de Natal, ein landestypisches Gebäck, dass man an jeder Ecke bekommt. Kleine Blätterteigtörtchen mit Vanillepudding-Füllung, die mit karamellisiertem Puderzucker und Zimt bedeckt sind. Läkker!

Weiter geht’s nach Alcobaca zur Abtei Santa Maria, nach Belem in Lissabon unserem zweiten UNESCO-Weltkulturerbe. Nach zwanzig Minuten parken wir in der Nähe dieses Trumms von einem Gebäude und nehmen noch schnell den davor stattfindenden Flohmarkt mit. Dabei fällt uns auf, dass der langgezogene Bau neben dem Kloster (ich wiederhole nochmal: Weltkulturerbe!) langsam in sich zusammenfällt. Ruinen sieht man hier in Portugal ohnehin oft, aber es ist immer besonders interessant, wenn neben den schönsten oder historischsten Gebäuden einfach irgendwelche alten Kotten stehen, die vor sich hinfaulen. Das scheint einfach niemanden zu interessieren. Das Kloster betritt man zunächst durch die Abteikirche, die alleine schon wegen ihrer Bauweise sehr sehenswert ist – 106 Meter lang, aber nur 21,5 Meter breit. Zudem sind hier die Gräber von Dom Pedro und seiner Ines zu finden, in etwa die portugiesischen Romeo und Julia, wenn sie auch tatsächlich gelebt haben und die Geschichte noch etwas blutrünstiger ist. Aber auch der Eintritt für das Kloster selbst lohnt sich absolut. Eine tolle, sehr große und sehenswerte Anlage. Jeder Raum ist begehbar und vor allem gut beschrieben, so dass man das Leben der Zisterzienser-Mönche gut nachvollziehen kann.

Inzwischen ist es schon halb sieben und wir düsen weiter über Land durch Nazare nach Sao Martinho zurück. Dabei geht es über kurvige Hügel und teilweise vorbei an der „Silberküste“ mit schönen Ausblicken. In Sao besuchen wir noch schnell den Supermarkt (jaha, ganz normal geöffnet, auch Sonntags), genießen den Sonnenuntergang über „unserer“ Bucht, kochen uns was leckeres zusammen und beschließen den Abend wieder mit einem Filmchen.

 

TAG 10 / SAO MARTINHO DO PORTO, OLBIDOS
19.09.11

Nach einem verbummelten Vormittag brechen wir um 12 Uhr in das nicht weit entfernte Olbidos auf, laut unserem Reiseführer das „portugiesische Rothenburg ob der Tauber“. An der Touristinfo am Ortseingang wollen wir uns mit einer Karte des immer noch von der original Mittelalter-Stadtmauer umschlossenen Stätdchens versorgen. Dort heißt es dann lapidar „Olbidos hat Mittagspause“. Mit anderen Worten: Alle Sehenswürdigkeiten sind geschlossen und machen erst um 14.30 Uhr wieder auf. Zis, diese Südländer! Machen zur Siesta mal eben eine Stadt dicht. Egal.

Olbidos von oben

Wir erklimmen die Zinnen der Stadtmauer, um einmal rund um Olbidos zu laufen. Sehr interessant: Links von uns die Zinnen, rechts von uns eine etwa 1,50 Meter breite alte Stadtmauer und daneben immer drei bis zehn Meter freier Fall auf Dächer, in Gärten oder einfach auf Beton. Kein Geländer, nichts. Diese Tatsache führt zu manch lustiger Szene bei Gegenverkehr. Rebekka ist der kleine Nervenkitzel etwas zu viel und sie entwickelt spontan eine noch nie gekannte Höhenangst. Trotz der 21-23 Grad an diesem Tag brennt die Sonne ganz schön, auch wenn der ständige Wind für etwas Abkühlung sorgt. Wir gehen (ich) bzw. zittern (sie) uns also an der Mauer entlang und genießen wirklich schöne Ausblicke auf eins der ursprünglichsten und besterhaltenen Dörfer Portugals von dort oben.

Nach einer guten halben Stunde ist Olbidos auch schon umrundet und wir kraxeln in die Straßen hinab. Kopfsteinpflaster, Blumen, alte und uralte Häuser und Kirchen, eine Burg – alles toll und schön, aber irgendwie nach all dem was wir bisher schon sehen durften auch nichts mehr, was uns vom Hocker reißt. Vielleicht liegt es an der Mittagshitze in den engen Gassen oder dem wieder mal ausschließlich auf Touristen ausgelegten Einzelhändlern und Gastronomiebetrieben. Irgendwie fehlt uns hier die Authentizität und wir buchen Olbidos als netten Spaziergang mit Postkartenansicht ab.

Auf dem Rückweg machen wir einen Schlenker und besuchen den nahen See, der sich durch die Versandung des Tales gebildet hat. Leider nutzen viele Einheimische das Ufer als Müllkippe und außer einigen Reihern sehen wir auch keine Wasservögel, für die der See kurz hinterm Meer berühmt sein soll. Dann lieber wieder zurück nach Sao Martinho do Porto, wo wir ohnehin noch beide Seiten des Buchteingangs näher untersuchen wollen. Auf der linken Seite der Bucht  liegt Salir do Porto. Hier ist der Tourismus anscheinend noch völlig am Dorf vorbeigezogen, obwohl es nett dort ist.

Angler am Tor zur Bucht

Wir erklimmen den Berg zum Buchteingang mit dem Auto bis es nicht mehr geht und gehen den Rest bis zum „Gipfelkreuz“ zu Fuß. Tolle Aussicht auf Sao von dort oben. Jetzt wollen wir aber auch noch wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht, fahren zurück nach Sao Marinho bis zum rechten Ende der Bucht und besteigen dort die Klippen, die wieder einmal mit den „Attention! Unstable Cliffs“-Warnschildern versehen sind. Und denen darf man durchaus Glauben schenken, denn: Hölle geht’s da tief runter auf die Atlantikseite!

Der Erdboden wirkt mit seinen tiefen und breiten Rissen und Löchern auch nicht gerade vertrauenserweckend, aber die Aussicht ist brillant! Rechts von uns braust der Atlantik krachend an die Felsen und die Sandsteinklippen und links plätschert freundlich die Bucht dahin. Ganz am Ende des Kliffs sind der Leuchtturm und die Ruinen einer alten Kapelle zu sehen, die gerade noch so auf das äußerste Ende des Kliffs passen. Hier hat die Erosion schon ganze Arbeit geleistet. Wir sitzen und gucken lange da oben, Naturgewalten sind doch was feines (wenn sie gutartig sind). Dann versuchen wir uns noch an einem Geocache, der aber noch die Lösung von anderen Aufgaben an anderer Stelle erfordert und den wir daher vertagen. Der Abend geht in der „Pato Bravo“-Bar gleich an unserem Appartementhaus zu Ende. Leckeres und günstiges Essen und gute Caiphirinhas und Mojitos!

 

 

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