Tokio & Kyoto: Reisebericht Japan 2014 / Tag 2

TAG 2 / TOKYO
Sonntag, 11.05. / 26°C / Sonnig

Um sechs Uhr morgens sind wir hellwach. Immerhin: bis auf einmal aufwachen durchgeschlafen, nicht übel. Nach einer Dusche sind wir pünktlich zum Start des Hotelfrühstücks um Sieben im Restaurant. Und wir sind nicht die einzigen, es ist fast voll! Hier kann man es die nächsten Tage aushalten. Es gibt viel Japanisches, aber auch Brötchen und Croissants. Eine gute Mischung, lecker und macht satt für sieben Euro, da kann man nicht meckern. Rebekka probiert sogar die japanische Spezialität Natto – vergorene Sojabohnen, die lustige Fäden ziehen. Riecht wie Klebstoff, schmeckt auch so.

Gestärkt wird der Plan für den ersten „richtigen“ Tag geschmiedet. Eigentlich wollten wir eine kostenlose Führung durch das Tempelviertel hinter unserem Hotel mitnehmen, aber die startet erst um Elf und jetzt ist es Acht. Drei Stunden warten, nur um genau das erklärt zu bekommen, was wir gestern schon alles gesehen haben und was sowieso immer erreichbar hinterm Haus liegt? Nö, dann lieber zum Bootsanleger an den Sumida River, nur kurz die Straße runter. Kurz darauf entern wir schon ein futuristisches aussehendes Ausflugsschiff, um damit in Richtung Fischmarkt zu fahren. Dauert eine halbe Stunde, kostet sieben Euro. Gut, die hätte man sich sparen können. Das liegt nicht nur daran, dass wir Deppen den Aufgang zum Außendeck zu spät gesehen haben und nur drinnen saßen. Es war einfach recht wenig los am Ufer – die tollsten Ausblicke gab es jetzt nicht unbedingt. In der Nähe des Tsukiji Fischmarkts machen wir am Anlieger Hinode Pier fest. Von da aus latschen zu Fuß zur Takeshita Street. Währenddessen sehen wir Straßen, die über Zuflüsse des Sumidas gebaut wurden. Hier wird echt kein Eckchen Raum gespart. Die Takeshita Street bietet neben dem kurzen Supermarkt-Besuch gestern den ersten wirklichen Kulturschock. Eine Fußgängerzone mit den ausgeflipptesten Sachen für die ausgeflipptesten Leute. Hier sind fast nur Mädels mit schrillsten Klamotten und Make-Up am Start, die den Sonntag damit verbringen, sich noch schrillere Klamotten zu kaufen bzw. sich dabei in denen zu zeigen, die sie letzte Woche Sonntag gekauft haben. Diese Straße ist an Kuriosem nicht zu überbieten.

Kawaii-Girls in zu großen Pumps

Mittendrin in diesem Wahnsinn liegt der Togo-Schrein, nur ein paar Schritte von der Einkaufsstraße entfernt. Wir laufen weiter bis zur Omotesando, angeblich der Champs Elysees Tokyos. Und wirklich: Breite Straße, von Bäumen gesäumt, viele Edelmarken – fast wir in Paris! Nur habe ich in Paris noch nie so viele Leute gesehen! Von der Omotesando aus ist es nur ein Sprung zum Yoyogi-Park. Wir gehen erst in den „ehrwürdigen“ Teil, in dem alle Bäume stehen, die es in Japan gibt. Viele unternehmen hier einen sonntäglichen Spaziergang auf sehr breiten Kieswegen, die alle auf den Meiji-Schrein ausgelegt sind, den meistbesuchten Shinto-Schrein Japans. Hier kommt wohl auch gerne der Kaiser mal vorbei und Neujahr tummeln sich hier drei Millionen Leute, um für das neue Jahr zu beten. Dort angekommen, sehen wir gleich ein paar Hochzeiten und Tausende Holztäfelchen, auf denen man seine Wünsche hinterlassen kann, für welche die Shinto-Priester dann beten.

Aber irgendwie ist der Schrein nur „nett“ – wir wollen mehr pralles Leben. Das finden wir im Yoyogi-Koen, dem anderen Teil des Parks. Die großen Wiesen neben den Wasserflächen ist bunt von Menschen. Ein bisschen wie im Central Park in New York. Hier gibt’s Trommler, Tänzer, Ballspieler und so weiter. Und schön ist es hier! Wenn wir auch die Picknick-Kultur der Japaner etwas lustig finden: Blaue Plastikplanen, auf denen man (natürlich) auf Socken sitzt und dazu ganz viel frisch gekauftes aus dem Supermarkt in Plastikschalen als Picknick verzehrt. Hier herrscht wirklich eine nette Atmosphäre und wir laufen, sitzen und gucken gut zwei Stunden.

Dann geht es weiter durch das Shibuya-Gate direkt in den gleichnamigen hippen Stadtteil. Vorher empfängt uns noch ein Volksfest wie sich das gehört, mit Dutzenden Essensständen, mehreren Bühnen und anderen Buden. Eine Girl-Band in Schuluniform mit quietschenden Micky-Maus-Stimmchen verpassen wir gerade so, bekommen nur noch das letzte Lied mit. Lustig: Vor der kleinen Bühne haben sich etwa zwanzig Typen mit Kamera und Stativ aufgebaut, von denen keiner professionell aussieht. Ansonsten gab es etwa nur fünfzig übrige Zuschauer. Hmmmn … Während wir an einem der Stände zur Stärkung eine Frühlingsrolle knabbern, berührt mich plötzlich jemand von hinten am Unterschenkel. Als ich mich umdrehe, sehe ich eine alte Frau, die auf meine Tätowierung tippt und dabei japanisch spricht. Ich versuche ihr achselzuckend mitzuteilen, dass ich ihre Sprache nicht beherrsche. Sie gibt irgendwann lachend auf. Aber ich habe tatsächlich vorher gelesen, dass Tattoos hier noch gar nicht so akzeptiert sind (man sieht auch wirklich nur sehr, sehr selten einmal eins) und nur die Angehörigen der „Yakuza“ (der japanischen Mafia) tätowiert sind. Wie ungern Tattoos hier gesehen sind, soll ich dann später noch in Kyoto erfahren.

Nachtszenen in Shibuya

In Shibuya laufen wir eine Straße hinab, die direkt zu „der“ Kreuzung führt – der Shibuya Crossing. Wann immer ein Film oder eine Dokumentation das Gewusel in Tokyo zeigen will, bedient man sich dieses Zebrastreifens. Es ist wirklich beeindruckend, wie bei „Grün“ Tausende Menschen waagerecht, senkrecht und diagonal aufeinander zulaufen, als zögen sie gegeneinander in den Krieg, sich dann miteinander vermischen und schließlich ohne Gestoße und Gerempel unbeschadet auf der anderen Seite ankommen. Auch die Statue des Hundes Hachiko ist gleich nebenan, direkt vor dem Bahnhof Shibuya (wer die Geschichte des treuesten Hundes der Welt nicht kennt, der bemühe Google). Von dort aus gehen wir in Richtung des Love Hotel Hills und kommen an einer Pachinko-Halle vorbei. Dieses Glücksspiel zocken viele Japaner wie besessen in riesigen Spielotheken. Meine Fresse, ist das laut da drin. Pachinko ist eine Art vertikales Flipperspiel mit vielen, vielen Kugeln, die ratternd dadurch laufen. Ich habe es nicht verstanden ehrlich gesagt. Jedenfalls gewinnt man Sachpreise, die man dann einmal um die Ecke an kleinen Schaltern wieder „verkaufen“ kann. Weil: Glücksspiel um Geld ist in Japan verboten 😉

Auf dem Love Hotel Hill knubbeln sich die Stundenhotels mit Zimmern ab ab 2000 Yen (14 Euro) und jede Menge Clubs gleich nebenan. Jetzt am Sonntag um 18 Uhr stehen (komischerweise fast nur) jede Menge aufgetakelte Mädels davor Schlange, teils um Straßenecken herum. Wieder unten im Bar-Viertel von Shibuya angekommen, gehen wir kurz an dem Karaoke-Kan (ist eine Kette) vorbei, in dem Bill Murray und Scarlett Johannson eine Szene aus Lost in Translation gedreht haben. Langsam wird es dunkel, wir steuern eine eilig auf dem Smartphone gefundene Tripadvisor-Empfehlung an und gehen in ein Shabu-Shabu Restaurant. Das ist quasi eine Art Fondue, bei der das Fleisch und die restlichen Zutaten in einem Topf Brühe auf dem Tisch selbst gekocht wird. Da es sich um ein „All you can eat in 90 Minutes“-Buffet handelt, sind wir schon nach anderthalb Stunden wieder draußen und machen uns auf den Heimweg. Reicht auch für heute.

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